Wenn IWC draufsteht und Richemont drin ist.

Service zwischen Schein und Sein.

Ja, schon wieder IWC. Nein, ich habe nichts gegen die Marke, ich mag die Uhren aus Schaffhausen wirklich…ehrlich. Ich besitze sie und ich verkaufe sie. Meistens, wenn sie nicht gerade zum „Service“ am Rheinfall sind.
Für das kommende Wortspiel möchte ich mich jetzt schon entschuldigen. Ich muss mich berichtigen, der Service von IWC ist ja gar nicht in Schaffhausen, sondern in München. Und auch nicht bei IWC, sondern beim Mutterkonzern, bei „Richemont“. Und genau das ist für mich jetzt schon zum zweiten Mal der größere Reinfall.

Seit dem Jahr 2000 gehört IWC zum Luxuskonzern, was für beide Seiten bestimmt jede Menge Vorteile bringt. Die Qualität des Service gehört bestimmt nicht dazu. Wobei ich diesen Begriff erst einmal in zwei Bereiche teilen möchte:

  1. Die Uhr benötigt einen Service: Damit ist eine Durchsicht oder Revision gemeint, eine technische Serviceleistung zu Erhaltung oder Wiederherstellung der Qualität oder Leistungsfähigkeit eines Produktes.
  2. Der Kunde erwartet Service: Das ist keine technische, sondern eine menschlich-emotionale Dienstleistung. Einhergehend mit Freundlichkeit, Kundenorientierung, Wille zu helfen und zielführender Kommunikation. Dieser Service dient der Kundenzufriedenheit und -bindung.

Beide Bereiche hat IWC nach München ausgelagert zur „RICHEMONT Northern Europe GmbH“, was der Kunde erst merkt, wenn er seine Uhr für den Versand vorbereitet oder einen Kostenvoranschlag (mit IWC Briefkopf) erhält.
Auf dem Weg von Schaffhausen (dem Geburtsort der Uhr) nach München (dem Lazarett des Konzerns) ist Punkt zwei der Servicedefinition irgendwie verloren gegangen. Schon unter „normalen Bedingungen“ ein herber Verlust. In Zeiten der Pandemie ein Multiplikator unternehmerischer Verluste.

Doch von vorne. Meine treuen Leser kennen bereits mein erstes „Erlebnis“ mit der Qualität und dem Service rund um eine IWC aus dem Jahr 2019. Nachzulesen HIER.

Der Artikel scheint selbst am tosenden Rheinfall ein paar Wellen geschlagen zu haben, denn kurz nach Veröffentlichung rief mich der Serviceverantwortliche von Richemont an,  da müsse „mal was richtig gestellt werden“. Meine Frage, was denn in dem Artikel falsch dargestellt sei, wurde nach längerem Zögern mit einem klaren „nichts“ beantwortet. In einem halbstündigen Gespräch kamen wir schnell auf einen Nenner, was der Kunde an Service erwarten kann und was er in Wirklichkeit erhält. Das Ende vom Lied / Telefonat: Das Geloben von Besserung.

…da fehlt doch was…

Sprung ins Jahr 2021, Schauplatz ist das Zifferblatt einer IWC Portugieser, genauer gesagt der „Höhenring“, der nicht so ganz auf selbiger zu sein scheint. Denn ihm fehlen (wie bereits der Ingenieur aus dem Erlebnis 2019) einige Strichindizes. Weg, verschwunden, aufgelöst…

Was ich will: Einmal Austausch des Höhenrings.

Was IWC will: Einmal Komplettrevision mit allem, aber bitte ohne Service (Definition 2).

Ja, ich habe Verständnis dafür, dass ein Hersteller bei verschwundenen Indizes überall nachschauen muss, wo denn die Farbmasse geblieben ist. Vielleicht im Werk? Dann suchen wir mal. Ich habe kein Verständnis, dass das Verschwinden kommentarlos auf meine Kappe geht, wo ich doch auch sonst sehr rabiat mit der Uhr umgegangen bin. Ich zitiere aus dem Kostenvoranschlag:

  • Fremdeingriff, Zeiger verbogen.
  • Krone: angeschlagen, läuft unrund.
  • Drücker: abgenutzt bei 4°°, deformiert bei 2°°
  • Glasfassungsring: oxidiert
  • Gehäuseboden: weist diverse Dellen und Beschädigungen auf (…) der Strichschliff, der eigentlich von 12 nach 6 Uhr laufen soll, ist kaum mehr vorhanden.

Fällt Ihnen etwas auf? Über die verschwundenen Stricheinheiten auf dem Höhenring findet sich kein Wort!

Das Bild des beschädigten und verdellten Bodens sehen Sie hier – unretuschiert mit einem Makro fotografiert. Zur Laufrichtung des Schliffes hätte ich eine Idee: Schrauben lösen, Boden um 90° drehen und schon läuft der Schliff wieder von 12 nach 6 Uhr.

Originalbild eines beschädigten Uhrenbodens inkl. aller Dellen.

Verbogene Zeiger und deformierte Drücker sollten mir nach Tausenden von professionellen Uhrenfotos durchaus aufgefallen sein. Was ist da bei mir schiefgelaufen? Wann habe ich den Glasfassungsring dieser wasserdichten Uhr innerhalb von nur 5 Jahren oxidieren lassen?

Angeschlagene Krone und deformierte Drücker…?

Auch wenn ich davon ausgehe, dass alle technischen Serviceleistungen mit Sinn, Verstand und rechtens durchgeführt werden müssen, die Art der Kommunikation mit dem Kunden und die Pistole, die mir durch den Konzern auf die Brust gesetzt wird (entweder Komplettrevision für über 800,- Euro oder gar nichts) ist eine Bankrotterklärung an den kundenorientierten und menschlichen Service.
Im besten Fall fühle ich mich nicht ernst genommen, im schlimmsten Falle: ver… Sie wissen schon.

Und wer muss es ausbaden? Richemont? Nein: IWC!
Klar, wer Uhren baut, bei denen regelmäßig die Strichindizes verschwinden, der sollte schon einstecken können. Und vor allem drauf achten, welche Floskeln sie auf ihre Website schreibt. Beispiel gefällig?

Oxidation? Schwund auf dem Zifferblatt? Das hört sich im Werbetext doch ganz anders an:
„Im Rahmen eines zweiwöchigen Salzbadtests bei 37 Grad Celsius werden Materialien aussortiert, die durch tägliches Tragen oder in Salzwasser korrodieren. Zifferblätter werden tagelang starkem UV-Licht ausgesetzt und dürfen dabei keine farblichen Veränderungen aufweisen.“

Abgenutzte oder deformierte Drücker?
„Auf dem Kronen- und Drückerprüfstand werden Chronographendrücker 10 000 bzw. 20 000 Mal betätigt, um ihre Verschleissfestigkeit zu testen.“

Danach dürfte ich täglich Dutzende Male bei meiner Uhr rumdrücken, ohne Deformation.

Am besten gefällt mir aber dieser unscheinbare Satz:
„Das Manufakturzentrum, (…) beschäftigt rund 400 talentierte Mitarbeiter.“
Schön, dass die Talentierten Arbeit haben, doch wo sind die Kompetenten hin…?

Nun fragen Sie mich zurecht: „Was erwarten Sie denn Herr Strohm?“

Zuerst einmal, dass ich als Kunde ernst genommen werde. Und zwar als Kunde, der einige Tausend Euro in eine Uhr aus dem eigenen Haus investiert hat.

Luxusuhr + Luxusproblem = Luxusservice

Während ich ordentlich Geld in die linke Seite der Gleichung investiert habe, erwarte ich, dass der Hersteller gleiches mit seinem Part tut.

Ich erwarte weiter, dass man sich für mich interessiert. Und das nicht nur in Form eines schriftlichen Kostenvoranschlages.

IWC hat einen „Concierge-Telefonservice“ inkl. „qualifizierter IWC-Botschafter“. Der könnte ja mal anrufen, sich nach meinem Problem erkundigen, etwas Empathie zeigen und (jetzt lehne ich mich mal weit aus dem Fenster) sein Bedauern ausdrücken, dass ich Probleme mit dem Luxusprodukt habe. Er / sie könnte mich an einen der talentierten Uhrmacher weiterleiten, der mir genau erklärt, warum bereits bei der zweiten Uhr Indizes verschwinden. Und nicht, was ich (wer auch sonst??) mit der Uhr falsch gemacht habe.

Ja, Service-Mitarbeiterinnen kosten Geld. Doch erlauben Sie mir ein kleines Rechenbeispiel. Wenn sich jeder „Botschafter“ nur 15 Minuten telefonisch mit einem Service-Kunden unterhält, dann sind das am Tag 15-20 zufriedene Kunden. Im Monat sogar 300-400 gut betreute Uhrenfreundinnen. Wenn sich durch den guten Service nur jede*r Hundertste davon zum Kauf einer weiteren Uhr verleiten ließe, dann ist das Service-Center von IWC die Cashcow des Konzerns.

Ich erwarte einfach, dass mir mein Luxuslieferant ein gutes Gefühl vermittelt, sich zu kümmern und ich mich dadurch gut aufgehoben fühle. Dann werde ich denken, dass Fehler passieren können, Hauptsache die Probleme werden gelöst. Und dann werde ich auch gerne eine weitere Uhr für Tausende von Euro kaufen und jedem anderen Uhrenfreund von meinen positiven Erfahrungen mit dem IWC / Richemont-Service berichten.

Ich erwarte einfach, dass ich nicht noch einen dritten Artikel zum selben Service-Thema schreiben muss, denn es nervt!

Darüber tröstet mich auch nicht das lustige Suchspiel „Finden Sie Herr Klaus“ hinweg, das Weihnachtsspiel, das auch noch im März für Unterhaltung sorgen soll.  Herrn Klaus habe ich gefunden, bin aber weiterhin auf der Suche nach dem Service, was sich als wesentlich unlustiger herausstellt.

9 Comments

  1. Markus sagt:

    Igitt igitt- IWC, ich dachte bis jetzt, dass sei eine qualitativ gute Uhren Marke.

  2. A. Runkler sagt:

    Top-Service aber trotzdem kein HappyEnd
    Ich hatte bereits auch Erfahrungen mit dem Service einer IWC, aber zur Abwechslung eine gute. Meine zweite Uhr im oberen Preissegment war eine IWC GMT mit braunem Lederband, damaliger NP: 5.600 DM (ja genau: DM). Der fehlte es an der versprochenen (oder garantierten?) Gangreserve, mit dem Ergebnis: die Uhr am Freitag Abend abgelegt konnte ich diese am Montag Morgen neu aufziehen und stellen.

    Die Uhr wurde dann vom Uhrmachermeister vor Ort (Konzessionär in Frankfurt) persönlich getragen da der Verdacht war, dass ich die Uhr als Schreibtischtäter zu wenig „bewege“. Tatsächlich kam er aber zum gleichen Ergebnis. Nach zweimaligem „Nachbessern“ ohne positivem Ergebnis wurde mir dann die gleiche Uhr als nageleneue Uhr angeboten. Ich habe abgelehnt und mir das Geld zurückgeben lassen.

    Ergebnis: Top-Service, aber von dem Produkt IWC habe ich dann in der Folgezeit Abstand genommen. Jetzt sind 2 Jahrzehnte ins Land gegangen und ich habe tatsächlich mit dem Kauf einer Portugieser geliebäugelt. Ihr Artikel hat mich aber jetzt definitiv dazu bewogen, anderen Marken Treu zu bleiben.

  3. Matthias Heth sagt:

    Herr Strohm, dass ist ja fürchterlich. Ich werde mir keine IWC leisten können, habe es aber zu einer schönen Junghans geschafft. Da es meine erste Automatikuhr war, bin ich etwas hysterisch mit ein paar kleinen Dingen gewesen, die in Wahrheit nichts waren. Dazu war die Uhr in der Tat zweimal in den Schwarzwald gereist. Aber immer wieder wurde mir zugehört, es wurde alles begutachtet ohne Geld zu verlangen. Es gab nur ellenlange Geduld und am Ende sehr viel Verständnis für mich. Und was bleibt? Ein hochzufriedener Kunde! Und es war gar nicht schwierig. Der Service von Junghans hat Menschen da sitzen, die menschlich sind.

  4. Helmut Weber sagt:

    Besten Dank für den erneuten Einblick in die „Service“-Qualität von IWC.

    Immerhin hat ihr Beitrag was Gutes bewirkt – seit geraumer Zeit gehe ich mit dem Gedanken schwanger, mir eine Portugieser zuzulegen! Der Gedanke ist nun endgültig ad acta gelegt und ich wende mich doch eher den Modellen von JLC zu…

  5. Jörg Weinkauf sagt:

    IWC müsste nach meiner Erfahrung eigentlich IWK geschrieben werden – !Ich will ko…!“. Schon klar was ich meine oder? Nach genau den gleichen Erfahrungen mit KV aus München – danach müsste ich mit dem Hammer auf die Uhren eingeschlagen haben! – habe ich meine zwei IWC verkauft und das Geld in eine andere von mir heiß und innig geliebte Marke investiert. Bei Omega funktioniert der Service meiner neueren und Vintage-Ührchen jedenfalls.

  6. Christoph sagt:

    Unabhängig davon…..ob Billig oder Teuer oder Luxus…. alles eine Frage der Erwartungshaltung…. Service ist Marketing und Sales in einem ….einfach nicht mehr kaufen … so einfach ist das…ich empfehle den Service bei Wempe…

  7. Dr. Juergen Simonis sagt:

    Das ist ja wirklich unglaublich. Ich hatte bisher nur Uhren im Werksservice bei Omega und Rx und war eigentlich immer zufrieden, auch bei „billigeren“ Modellen aus den Häusern. Bei der letzten Revision einer Vintage Seamaster wurde ich „von Omega“ sogar zweimal zurückgerufen um abzusprechen, was im Detail gemacht werden sollte. Und das war auch nicht von Omega aus Biel sondern vom Swatchgroup Service in Pforzheim. Also geht doch.

  8. Remo Koller sagt:

    Ich besitze 3 IWC aus dem oberen Preissegment – und ja, tatsächlich, der Service dem Kunden gegenüber ist bei Swatch im Warenhaus besser, freundlicher, auf den Kunden mehr eingehend. Bei IWC bekommt man das“Friss-oder-stirb-Gefühl“ als das höchste der Empathie. Dafür viel Geld für Promi-Anlässe.

  9. Klein sagt:

    Sie schreiben mir aus der Seele! Auch ich hatte das identische Erlebnis mit dem nicht-Service Zentrum in München mit meiner Pilot watch. Bereits nach einem halben Jahr war das Uhrwerk defekt, nichts ging mehr. Nach mehrmaligem Hin hin und her wurde es auf Kulanz repariert. Zwei Jahre später genau das gleiche Problem. Die Uhr war so gut wie nur im Uhrenbeweger. Ach mir wurde vorgeworfen dass mein Uhrenbeweger beziehungsweise ich die Uhr mehrfach runter geworfen hätte, laut Service war auch alles verbeult und verbogen. Anstatt die Zahnräder wieder in die richtige Stelle zu setzten wurde auch nur ein kompletter Service angeboten den ich schlussendlich aus Mangel an weiteren Optionen bezahlt habe. Eigentlich wollte ich gerne eine weitere Uhr von IWC kaufen, werde bei diesem miserablen Service jedoch definitiv davon Abstand nehmen. Auch ich bin der Meinung wenn ich eine billige Uhr kaufe kann ich billigen Service erwarten, in diesem Preissegment sollte man jedoch als Kunde anders behandelt werden. Wahrscheinlich war die Uhr zu preiswert für diesen Konzern so dass hier ein Service nicht angeboten werden kann. Dr. A. Klein

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