„Royal Oak? Kann ich organisieren…!“

Die gefährlichste Konkurrenz des Konzessionärs ist weder grau noch online – sie ist privat!

Es begab sich zu einer Zeit, in der die Sehnsucht nach Luxusuhren genauso groß wie die finanziellen Reserven nach Corona-Enthaltsamkeit waren. Eine Zeit, in der die bekanntesten Edelmarken nicht durch Angebot und Nachfrage, sondern durch Beziehung und Zuteilung unter das Sammler- und Spekulantenvolk gebracht wurden. Der Preis und die Gier war heiß, sodass manch unbedarfter Privatmensch verleitet wurde, im großen Spiel von Protz und Reibach ein Wörtchen und mehrere Uhren mitzureden.

Mein Freund der Besorger

Ich verlasse nun die Ebene von Prosa und Fauna und begebe mich in die Niederungen der schnöden Geschäftswelt, in der ich mir einen kleinen aber feinen Namen als Händler für gebrauchte Luxusuhren gemacht habe. Wohl bemerkt: als Händler.
Ich definiere: Händler sind professionelle Inverkehrbringer von regulärer Ware, auf die sie Gewährleistung und Garantie und im Falle eines Online-Verkaufs auch ein zweiwöchiges Rückgaberecht bieten. Auf die Differenz von Einkaufs- und Verkaufspreis werden Umsatzsteuer und Einkommensteuer fällig. Und noch so mancherlei staatlich geregelte „Nebenkosten“. Egal, ob Handel im Haupt- oder Nebenerwerb betrieben wird. Ich schreibe dies hier so deutlich, da es im kommenden Text eine Rolle spielen wird, und weil einige der selbsternannten „Verkäufer*innen“ diese finanztechnische Grundlage geflissentlich ignorieren.

Während die Branche althergebracht unterscheidet zwischen stationärem und Online-Handel, dem weißen und dem grauen, dem ersten und dem zweiten Markt, hat sich seit einigen Jahren eine Spezies etabliert, die ich „den Besorger“ nennen möchte. Der Form halber in männlicher, weiblicher und sächlicher Variante.
Damit Sie besser verstehen, was ich meine – hier eine kleine Geschichte, die sich so oder ähnlich in den letzten 12 Monaten mehrfach wiederholt hat.

Die erste Kontaktaufnahme erfolgt meist per Mail. Ein paar nette Worte zu meinem Online-Auftritt, und dass ich schöne Stücke in meinem Shop hätte. Für eins davon interessiere sich ein Kunde des Mailschreibers. Er selbst „handele“ auch mit Luxusuhren und es wäre doch bestimmt interessant für mich, nach Synergien Ausschau zu halten. Und ob ich nicht einen kollegial guten Preis machen könnte, verdienen muss er ja auch noch. Bitte beachten Sie an dieser Stelle die Formulierung, „er handele mit Uhren“ im Gegensatz zu „ich bin Uhrenhändler“.

Von letzteren kenne ich einige, arbeite auch durchaus mit ihnen zusammen, wenn einer meiner Kunden (oder umgekehrt) etwas Bestimmtes sucht. Da reicht man auch mal was weiter, ohne großartige Spanne, weils den Kunden freut. Ein- und Verkauf mit Vertrauen, Rechnung und Steuernummer.

Doch bleiben wir beim Mailschreiber, der spätestens beim nächsten Kontakt erwähnt, dass seine Ware vor allem die begehrtesten Marken wie Patek Philippe, Audemars Piguet oder Rolex sind. Da könne er so ziemlich alles „organisieren“ an das die „normalen Händler“ nicht rankommen – vom „guten Preis“ ganz zu schweigen. Und dann schwärmt er von den guten Geschäftsbeziehungen zu namhaften Juwelieren, Luxusketten und Vintage-Händlern. Gerne werden große Namen genannt – macht schließlich Eindruck und sorgt für Vertrauen.

Wer braucht schon eine Rechnung?

Ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit mir ein wildfremder Mensch sein Geschäftsgebaren anvertraut. Ein oder zwei freundliche Rückfragen und man bekommt einen detaillierten Einblick in eine ganz eigene Welt des Luxushandels – die des eben schon erwähnten „privaten Besorgers“.
Die Geschichte dahinter kling meist sehr ähnlich: Er habe sich vor 15 Jahren mal eine Rolex gekauft, zum super Preis. Und ein Freund wollte die dann unbedingt auch haben. Also hat er sie ihm mit ordentlich Aufschlag verkauft. Weil der keine Ahnung, aber jede Menge Geld hat. Und dann kam der zweite und der dritte…

Jetzt kommen die oben erwähnten guten Geschäftsbeziehungen ins Spiel, die nichts anderes sind als ein „Ich hab mich bei jedem Konzi auf die Warteliste setzen lassen“. Der letzte Besorger versicherte mir, dass er so im Jahr zwischen 40 – 50 Luxusuhren für Freunde und Bekannte organisiert habe. Das spreche sich dann rum, und er kann sich vor Anfragen nicht retten, denn die Juweliere können ja nix besorgen.

„Wer was will, dem mache ich einen Preis, der zahlt dann 50% an und ich kaufe ein. Und wenn zwischendurch ein Anruf kommt, dass ich was abholen kann, was nicht bestellt war, dann werde ich die auch direkt los.“

Man rufe ihn gerne an, weil er meist über Liste bezahlt – und bar. So gehöre er jetzt zu den umsatzstärksten Kunden. Und den beliebtesten, denn eine Rechnung brauche weder er noch seine Freunde.
Den letzten Satz sollten wir uns alle mal auf der Zunge zergehen lassen: „Eine Rechnung brauchen weder er noch seine Freunde“. Wenn Gier das Hirn frisst, werden solche Nebensächlichkeiten wie Gewährleistung, Garantie, Echtheitsnachweis geflissentlich ignoriert. Es zählt das Bling am Handgelenk, nicht das Zerti im Tresor.

Ich weiß, jeder von uns kennt jemanden, der ihm was „organisieren“ kann. Das nennt man „Vitamin B“ oder einen kleinen Gefallen. Auf wirklich privater Ebene – kein Problem. Wenn es aber gewerbliche Züge annimmt, ist der Kunde der Dumme, denn letztendlich treibt ein „ich zahle jede Summe, egal an wen“ die Preise in die Höhe und die regulären Händler in die Enge. Dann bleibt ihnen oft nichts anderes übrig, als den privaten Besorger zu beliefern, denn der nimmt alles und zahlt besser.
Kann er ja auch, weil er sich die Steuern spart, was in diesem Luxussegment mal leicht 50% ausmachen kann.

Nun sind diese Organisierer und Besorger nicht immer so leicht zu erkennen, spielen sie doch selten mit offenen Karten. Wer die Verkaufsbörsen der Foren oder die Auktionsplattformen über längere Zeit intensiv beobachtet, dem entgehen nicht die vielen Privaten, die seit Jahren „ihre Sammlung umstellen“ und daher mehrere Uhren einer Marke verkaufen oder von „Werksangehörigen“ oder „befreundeten Sammlern“ zum guten Preis anbieten. Natürlich immer von privat ohne Gewährleistung oder Garantie. Neue und verklebte Kronen mit 100% Aufschlag, weil’s ja alle so machen.

Natürlich werden mir jetzt einige die Frage stellen: „Aber wie soll ich denn sonst an die Uhr rankommen?“

Die traurige Antwort lautet: Gar nicht!

Sorry, aber so ist es nun mal. Wenn nix da ist, können Sie auch nix kaufen. Aber wir reden hier von Luxus, nicht über lebensnotwendige Grundnahrungsmittel auf dem Schwarzmarkt nach dem Krieg!
Oder Sie suchen sich eine Alternative. Denn hochklassige Uhren gibt’s zur Genüge.

Jeder einzelne Verbraucher entscheidet mit, wie der Markt der Zukunft aussieht: Steuerzahlende Händler, die Service und Garantie bieten, Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen und mit ihren Läden die Innenstädte attraktiv machen.
Oder der gute Kollege, der Freund von einem Bekannten, der für Geld so ziemlich alles organisieren kann.

Wir alle haben die Wahl.

2 Comments

  1. AR sagt:

    Hallo Herr Strohm, ich finde es toll, dass Sie Ihre Erfahrungen mit uns teilen. Erhält man doch so ein Insiderwissen und erfährt Dinge, an die man selbst nie gedacht hätte.
    Persönlich hab ich mir auch schon überlegt, wie denn die vielen ach-so-seltenen Modelle der einschlägigen Marken in doch erheblichen Umfang bei Grauhändlern landen. Meine Erklärung war, dass es zwischen dem ein oder anderen kleineren, eigentümergeführten, nicht kettengebundenen Konzessionär eine direkte Verbindung zu dem Grauhändler gibt. Hatte die kettengebundenen Konzessionäre eher weniger im „Verdacht“ da hier „Angestellte“ unmittelbar mit Ihrem Job spielen. Und natürlich wird es auch den ein oder anderen Privaten geben, der seine Uhr direkt weiterverkauft. Ein „Besorger“ als Zwischenhändler aber macht ja eigentlich wenig Sinn, verringert der doch nur die mögliche Spanne? Was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann ist, dass der Konzessionär auf eine Rechnung verzichtet/verzichten kann, ist doch die Uhr legal vom Produzenten eingekauft und damit offiziell im Bestand.
    Wie dem auch sei. Scheinbar gibt es ja bei diesem Spiel bzw. Geschäftsgebahren nur Gewinner. Den einzigen Verlierer, den ich sehe, ist der Produzent der begehrten Uhrenmodelle der seine Uhren deutlich teurer (bei gleicher Absatzmenge) verkaufen könnte.

    • Thorsten H. sagt:

      Weit gefehlt,…es gibt noch einen zweiten Verlierer, nicht nur den Produzenten der Uhr, dem die Situation meiner Meinung nach ziemlich egal ist, sonst würde z.B. die Krone etwas dagegen unternehmen. Das ginge relativ einfach, indem die Krone ein Registerbuch führen würde, in das sie die Kundendaten einträgt, die ihr die Konzessionäre zu nennen haben. Die Uhr wäre automatisch registriert, ganz nach dem Vorbild, wie es vor über 100 Jahren gehandhabt wurde, sodass heute noch nahmhafte Hersteller nachvollziehen können, wem die Uhr mit der Serialnummer x einmal verkauft wurde. Taucht dann immer wieder der gleiche “Kunde“ in den Registerbüchern der Krone auf, wäre das Grund genug für Skepsis und es könnte mal nachgeforscht werden, ob der Konzessionär, seine Geschäfte mit “rechten Dingen“ betreibt. Aber die Krone scheint das nicht zu interessieren, wer die Uhren kauft, ob Grauhändler, oder Besorger.
      Nun zurück zum zweiten Verlierer.
      Das sind nämlich die Kunden, die sich eine solche Uhr in ihrer Sammlung wünschen, deren Herz an der Sache hängt, die aber keine Chance haben, auf normalem Weg, über die Zahlung der UVP das Lieblingsstück zu erwerben.. Kein echter Sammler wird bereit sein diese horrenden Preise des Graumarktes zu zahlen, das tun nur Poser, die Geld zum Fressen haben, das meist unter fragwürdigen Bedingungen “verdient“ wurde. Reiche Russen, reiche Chinesen, das ist die Klientel, der es nicht auf den Preis der Uhr ankommt und diese sind die wahren Preistreiber. Von dieser Klientel gibt es offenbar immer mehr, der Wohlstand der Chinesen steigt, die Sprösslinge der sogenannten ‚Ersten Generation‘, die das Geld mit der Industrie im Billigwarensektor machte, gibt nun die Früchte der Arbeit ihrer Eltern mit vollen Händen für vorwiegend europäische Luxusgüter aus. Und obwohl Marken wie die Krone, etwa 1,2 Millionen Uhren im Jahr herstellen, kommen angeblich auf eine produzierte Uhr, etwa 1000 Menschen, die ein ernsthaftes Kaufinteresse an eben dieser haben. Das erklärt die Preisentwicklung. Wie gesagt, der Herzenssammler ist der Verlierer, der die Uhr eben nicht zum Protzen kauft und auch nicht, um sie sofort wieder mit Gewinn weiter zu veräussern.

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