Fake Watches oder Fake News?

Von dem, was echte und falsche Experten so alles anrichten können.

Morgens, halb acht in Deutschland – Herr Strohm trinkt Kaffee und zappt durch die Frühstücksprogramme. Bis ich mit größer werdenden Augen bei Sat1 hängen bleibe, begründet durch zwei junge Herren, die mir ein „Die kenn ich doch!“ ins Hirn jubeln.

Robin Haas und Leon Schelske – die Munichwristbusters

Richtig – wesentlich frischer als ich auf meiner, sitzen dort Robin Haas und Leon Schelske auf der Couch des Privatsenders.

Leon Wer und Robin Watt? Sagt Ihnen nichts? Sind Sie nicht auf Insta? Sie scheinen sich ja überhaupt nicht für Uhren zu interessieren! Leon und Robin, beide besser bekannt als die „MunichWristBusters“, also die Münchner Handgelenkssprenger. Zwei Jungs im zarten Alter von 20 und 19 Jahren, die seit einigen Monaten die C-Klasse der Inflünzer und Gängsta-Räpper aufmischen. Genauer – wie ihr Name schon sagt – deren Fake ummantelten Handgelenke.

Die beiden sorgen bei ihren knapp 300.000 Instagram-Verfolgern für wöchentliche Schadenfreude, wenn sie wieder einmal den vergoldeten und gut sichtbar in die Kamera gehaltenen Arm-Rotz der Jungvolk-Beeinflusser und Sprechgesänger*innen als billigstes Asia-Blendwerk entlarven. Egal ob extrovertierter Adoptivprinz oder schlauchbootbelippte Love-Island-Schönheit, die Zeitmessimitatoren an ihren Handgelenken werden entdeckt, analysiert und für Fake befunden.

Dafür gibt es wenig Applaus von den Betroffenen, umso mehr von dem Medien, denn die „MWB“ treffen in vielerlei Hinsicht den Zeitgeist: Selbstdarsteller meets offenes Messer! Ein Spaß für die ganze Familie aus gutem Haus, denn teure Uhren gehören nun mal ausschließlich an die Handgelenke der Reichen und Schönen.

Doch welche Absicht verfolgen die beiden Jungunternehmer (…komme ich gleich dazu) mit dem Enthüllungs-Trash? Nach eigenen Angaben zufolge wollen Sie als Uhrenliebhaber auf die immer größere Anzahl von Fakes in den sozialen Netzwerken aufmerksam machen.
Gut so! Damit bin ich 100% einverstanden. Schlechteinflüssler, die Heranwachsenden*innen das Gefühl vermitteln, dass man nur mit Bling-Bling am Arm etwas darstellt…sorry, die haben es nicht anders verdient. Wobei ich mir nicht so sicher bin, dass genau die auch den „MWB“ in den Netzwerken folgen.

Dazu kommt, dass viele der entlarvten Postpubertiere bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal wussten, dass es Modelle von Patek und Rolex gibt, die mehr als 35.- Euro kosten. Ja sogar dankbar sind für die Aufmerksamkeit durch die MWB, die ihnen kontraproduktiv sogar noch Klicks und Follower aufs Social Media Konto spülen.

Ich bin jetzt mal ehrlich zu Ihnen, eigentlich so wie immer. Zwei Jungs mit gerade mal 20 Jahren, die anhand von unscharfen Fotos zwischen Gut und Böse unterscheiden können? Da ist den Gebrüdern Vorurteil und gesundem Misstrauen doch Tür und Tor geöffnet. Ich selbst als Mehrfach-Zwanziger traue mir heute noch nicht zu, zwischen sehr gutem Fake und Original zu unterscheiden, selbst bei Uhren, die ich in Händen halte.
Nun mag es einfacher sein, einer aufstrebenden Beautybloggerin die Echtheit der 30k-Rolex abzusprechen. Vor allem, wenn diese grobmotorig im chinesischen Hinterhof zusammengezimmert wurde.

Gut und vorsorglich, dass sich bei jedem vernichtenden Urteil auf Instagram den links stehenden Hinweis der Wristbusters findet:

Nun gut, das mit der „Journalistischen Seite“… aber was solls.

Doch Alter und Anzahl der Follower sind noch keine Unechtheits-Bescheinigung. Das beste Beispiel sind Leon und Robin selbst. Auf Youtube findet sich ein Video, in dem sie nicht ohne Stolz und damals noch mit Gesichtsmaske (und ich rede nicht von FFP2) ihre eigenen Uhren zeigen (https://www.youtube.com/watch?v=Hr_rVbTr-Gw ). Hut ab, in den meisten Fällen ein sehr guter Geschmack, den die beiden sich bereits mit 17,18 Jahren leisten konnten.

Der leichte Beigeschmack bleibt, auf der einen Seite zu beklagen, dass Influencer andere junge Menschen unter Druck setzen, in puncto Uhren mithalten zu müssen. Dann aber selbst Watch-Porn im sechsstelligen Bereich ins Netz setzen…? Zitat: „Man braucht keine Rolex, um irgendwo akzeptiert zu werden oder dazuzugehören. Auch wenn Influencer, Rapper und Co. es so vorleben…“.Sie selbst sind Influencer, sie selbst leben es vor.

Es ist doch absehbar, dass auch das Frühstücksfernsehen zuerst nach der Uhr am Handgelenk und deren Preis fragt – immerhin „…dreizehneinhalb Tausend, sowas…“ für die Bicolor Submariner mit blauem Zifferblatt. Nicht gerade ein Weggucker. Ich bin mir sicher, die beiden werden lernen, etwas geschickter damit in der Öffentlichkeit umzugehen.

Das ist keine Schummeluhr, sondern das Original am Handgelenk eines der Wristbusters

Sie haben bereits erfolgreich damit angefangen, ihre Popularität geschäftlich zu nutzen. Auch das ist absolut legitim und in dem Alter als wirklich clever zu bezeichnen.
Womit verdienen Sie denn ihr Geld, das sie dann in teure Uhren anlegen? Sie bleiben in der Branche bei Uhren und Schmuck.

Als Verantwortliche im Impressum stehen sie bei „SH Diamonds“. Der Online-Shop bietet eine (sehr) kleine, aber feine Auswahl an Diamanten besetztem Schmuck. Und es gibt die Seite munichwristbusters.shop, auf der die Jungs Merchandising-Artikel vertreiben, hauptsächlich Shirts und Hoodies. Dahinter steckt allerdings „MyMerch GbR“, ein Unternehmen, das sich auf Influencer Marketing spezialisiert hat, also Shop und Produktentwicklung für junge Meinungsmacher anbietet. Hoffentlich nur für solche, mit echten Uhren am Handgelenk.

Unter “MWB Watches“ findet man ihren Shop für Luxusuhren – ein wilder, aber hochklassiger Mix der Edelmarken. Das Shopdesign ist mehr als nüchtern und die Erklärungstexte zu den angebotenen Uhren beschränken sich auf wenige notwendige Informationen wie Alter, Referenz, Set und Maße der Uhr.
Hut ab vor der knappen Viertelmillion, die hier als Sachwert im Shop schlummern. Die muss man erst einmal haben, sprich investieren, denn von Kommissionsware finde ich kein Wort. Dafür aber einen kleinen Hinweis, der nirgendwo aufgelöst wird: „MWB x Chronext“. Ein ähnlicher Hinweis unter jedem Instapost, in dem auf einen „Chronext Rabatt code: MWB“ hingewiesen wird.

Um es nochmal deutlich zu sagen: Kooperationen mit seriösen Partnern (und das ist chronext garantiert) sind nicht nur legitim, sondern meist auch für alle Beteiligten, inkl. Kunden, eine Win-win-Situation. Ein wenig mehr Aufklärung und Transparenz täte der Glaubwürdigkeit allerdings gut. Vor allem, wenn man bei der Uhrenrecherche eine tolle Day-Date 40 in Vollgold findet – mit bis hin zum Preis (welcher nicht die UPE ist) identischen Daten sowohl bei den Wristbusters als auch bei Chronext. Das mag Zufall sein, oder auch nicht…

Man darf gespannt sein, wie sich das Business der Münchner Handgelenksspezialisten weiterentwickelt. Nach eigenen Worten wird es auch die Monetarisierung ihrer Expertise in Sachen real/fake geben. „Nur echt mit MWB-Zertifikat“? – warum nicht, logisch wäre es. Aber auch ein Haifischbecken. Denn viele „Überführte“ werden versuchen, die Experten aufs Glatteis zu führen und diesen eventuellen fail in den sozialen Netzwerken noch genüsslicher ausschlachten, als es die beiden bisher mit den Fakes tun.

Es ist recht dünnes Eis, anhand von schlechten Fotos eine Fälschung zu diagnostizieren, wenn der Besitzer sich dann die Echtheit von einem Händler bescheinigen lässt. Und ob die fotografierte Fälschung und das bescheinigte Original nicht vielleicht doch zwei Uhren waren…wer mag das beweisen? Und in unserem Gewerbe (Handel mit Luxusuhren) ist die einwandfreie Reputation nun mal alles.

Das soweit zu den ernstzunehmenden Expertisen – kommen wir nun zu den wirklichen, den wahren, den einzigen Er-Kennern von Wahrheit und Lüge. Den Millionen von Uhrenexperten in den Uhrforen und Facebook-Gruppen, die nun als „Hannoveraner Handgelenks Helden“ ein Stück vom Internetruhm abhaben wollen.

…wirklich nur jede zweite?

Frei nach dem Motto „Was die können, das kann ich…nicht…aber scheiß auf Wahrheit, wir sind ja im Internet!“ Überall im Netz, wo man sich über hochwertige Uhren austauscht grassiert diese Pest der Kompetenz durch Anmaßung. Die eigene Selbstaufwertung durch die Erniedrigung anderer. Du kannst dir eine so teure Uhr leisten und ich nicht? Dann unterstellen wir dir einfach einen Besuch beim Strand-Konzi – und das noch zum überhöhten Preis. Am Musik- und Uhrengeschmack von Pietro Lombardi dürfen Zweifel geäußert werden, das macht seine teuren Uhren trotzdem nicht zu Fakes.

Machen Sie bitte nie den Fehler, von der Online-Community ein Urteil über Ihre neue Uhr einzufordern. Da können Sie gleich eine Umfrage unter amerikanischen Ex-Präsidenten zum Thema Wahlbetrug starten.
Originalbelege inkl. Kaufrechnung von Wempe? Aha, gefälschte Papiere hat man Ihnen also auch noch angedreht, Sie Amateur!

Eins sollten alle Hater und Möchtegern-Experten da draußen bedenken: Die Verbreitung von Fake News ist ebenso strafbar wie die Verbreitung von Fake Uhren. Üble Nachrede und Unterstellungen sind strafrechtlich relevant. Vielleicht steht dann eines Tages nicht die Gang vom Gangsterrapper vor den Haustür (so geschehen bei den Munichwristbusters), sondern der Anwalt vom angeblichen Fake-Besitzer. Beides kann ganz schön Aua machen

7 Comments

  1. Markus K. sagt:

    Ich finde Blingbling-Uhren grundsätzlich furchtbar, selbst wenn sie echt sind. Darüber hinaus sehe ich die Sache mit den Fake-Uhren nicht ganz so verbissen. Ich habe selbst überlegt, mir mal zum Testen einen Fake eines Modells zuzulegen, das ich irgendwann mal kaufen möchte. Letztlich wurde das nie konkret, weil man für wirklich gute Fakes soviel Geld bezahlen muss, dass es für drei schöne Seikos reichen würde. Im Übrigen schätze ich an meiner ersten Luxusuhr, die ich vor einigen Tagen kaufte, dass sie nur Kennern auffällt. Damit erntet man höchstens ein nettes Gespräch unter Gleichgesinnten.
    Entgegen einiger Stimmen halte ich Fakes für volkswirtschaftlich ziemlich unbedenklich. 90 bis 110 % der Uhren führen nicht dazu, dass eine Luxusuhr weniger gekauft wird. Bestenfalls macht der Fake sogar Werbung für das Original. Sehr viel problematischer sind Kopien von elektrotechnischen Komponenten oder von Autoersatzteilen. Es ist heutzutage kaum noch möglich, im Internet den Preis einer originalen Bremsscheibe zu ermitteln, und wenn es nur dazu dienen soll, das Preisniveau einer Werkstatt einzuschätzen. Es werden bruttoregistertonnenweise gefälschter Ersatzteile zu günstigeren Preisen angeboten und verkauft. Das schädigt die seriösen Hersteller massivst und ist aufgrund der oft mangelhaften Produktqualität nicht selten lebensgefährlich. Sowas ist viel, sehr viel schlimmer als eine Kopie einer Rolex. Als wenn die auch nur eine einzige Submariner weniger verkaufen würden…

  2. Hallo in Runde,
    sehr schöner Text mal wieder und wirklich kurzweilig.
    Ich gönne jedem seine Kopie und wenn er das Geld hat erst recht das Orginal. Ich hab auch mind. 3 Stück jedoch alle mit neutralem Ziffernblatt oder mit dem Namen des Nachbauers drauf. Warum? Der Seiko Marinemaster 300 oder die Cpt. Willard gefallen mir, ich hab jedoch nicht das Geld dafür oder brauche es gerade für etwas anderes. Ich weiss es sind Kopien und möchte nicht den Anschein erwecken es seien Orginale. Ich finde auch die Bezeichnung „Homage“ zum Schmunzel, es ist und bleibt eine Kopie und wenn der orginal Herstellername drauf steht eine Fälschung.
    Sind Kopien (von Dingen die so nicht mehr hergestellt werden) so schlimm? Wir halten kurz inne und denke an Tante Trudel mit ihrer Mona Lisa im Schlafzimmer oder an Herbert aus der zweiten Etage mit seinem Miro im Gang.
    Nicht falsch verstehen, ich stehe dem Thema kritisch gegenüber aber bin auch kein Hardliner.
    Ich finde es spassig wenn zwei Jungspunde der Schickimicki-Spößchen-Insta-Y-Promi-Gesellschaft den Spiegel vor hält, wenn man sonst nix zu tun hat. Es werden zwei Klischees perfekt bedient: Auf der einen Seite steht „Schöner, toller gei…“ und auf der anderen Seite „Schadenfreude“. Unsere Gesellschaft hat sich so entwickelt ob wir wollen oder nicht.
    Und auch ich teile in solchen Fällen gerne aus. Ein guter Bekannter hält mir seine neue „Glashütte“ unter die Nase, das Angeben mit Spielsachen kann ich ja so leiden, mit den Worten „Schau mal was ICH mir GELEISTET habe….“ Ich frag höflich ob ich mal schauen darf. Schwer, solide, schicker Wecker. Nach betrachtung der Rückseite gebe ich die Uhr mit den Worten “ Hier Deine Glashiitte, das nächste mal bei einem Asiaten mit einem „Ü“ in der Graviermaschiene kaufen…“
    Ich wünsche den MWB´s viel Erfolg und immer dran denken: Hochmut kommt vor dem Fall.

    Gruß Euer Michel

  3. Ottmar33 sagt:

    Danke für den Betrag, der ist nett zu lesen 🙂

  4. Jörg H. sagt:

    Mit Rolex habe ich nichts, rein gar nichts am Brett. Audemars Piguet, Hublot und Patek Philippe kann ich mir sowie nicht leisten und sind mir auch zu teuer. Uhren-Jungunternehmer, Influencer, Selbstdarsteller und Möchtegern-Experten sind mir wurscht. Ich kaufe Uhren die mir gefallen und ein gutes Preisleistungsverhältnis aufweisen. Und davon gibt es eine riesige Auswahl. Also warum werden hauptsächlich immer dieselben Mainstream Marken gehypt? Ich weiß es nicht! Hat jemand eine Antwort?

    PS: Vorsichtshalber entschuldige ich mich vorab für die womöglich übertriebene „Jugendsprech“ Schreibweise und der möglicherweise nicht gendergerechten Sprache.

    Bleiben Sie gesund.

    Freundliche Grüße
    Jörg H.

  5. Claus Gerards sagt:

    Guter Artikel zu MBW . Sie haben leider eine weiter Einkommensquelle der Jungs nicht erwähnt .
    Das Uhrenverlosen , bei dem eine Uhr an Käufer von Losen verlost wird

  6. Uhrmachermeister Kriescher sagt:

    Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Uhrmacherhandwerk würde ich gerne hierzu zwei Sachen los werden!

    1.Grundsätzlich finde ich es gut, wenn „Fake“ Produkte entlarvt werden!
    Durch „Fakes“ gehen gehen viele, viele Arbeitsplätze verloren, man unterstützt mit einem Kauf eines „Fake-Produktes“ Organisationen mit denen man eigentlich nichts zu tun haben möchte……usw.

    2. Es kommt nicht selten vor, dass Gerichte, Versicherungsgesellschaften oder private Auftraggeber eine Begutachtung nach Aktenlage wünschen.
    Das lehne ich grundsätzlich ab!
    Nur anhand von Fotos kann man keine Uhr oder einen Schaden begutachten!
    Um ein einwandfreies, fachgerechtes Gutachten zu erstellen, ist eine persönliche Begutachtung der Uhr unumgänglich!
    Aus diesem Grund kann ich die Vorgehensweise verschiedener so genannter „Uhren-Experten“ in den einschlägigen Foren oder bei Instagram nicht gutheißen!

    Grüße aus der Uhrmacherwerkstatt

    Uli Kriescher

  7. Jerry sagt:

    Ich glaube das nicht anhand von Fotos Uhren als Fake zu unterscheiden.Ich selbst habe 3 Rolex seit den 80er Jahren aber auf Fotos würde ich kein Fake von Rolex erkennen.

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