Armbanduhren sind keine Weihnachtsgeschenke!

Oder: Wenn unterm Tannenbaum das Gesicht entgleist.

Ein Hund namens Speedy…

In zwei, drei Monaten ist es wieder soweit. Nein, nicht Heiligabend. Ich meine die unheiligen Tage im Januar und Februar, an denen wieder niedliche Hundewelpen an Autobahnraststätten und Tierheimpforten ausgesetzt werden. Unschuldige Jungtiere, die als gut gemeintes Weihnachtsgeschenk in den reich geschmückten Stuben für Freudentränen sorgen sollten. Ein Zwerg-Rottweiler für Jennifer-Joline, ein Nacktmull für Torben-Hendrik. Missverstandene Kinder / Tierliebe, Einfallslosigkeit bei der Geschenkauswahl, Dummheit…? Wahrscheinlich von allem etwas.

„Schön, dass Sie drüber geredet haben, Herr Strohm“ werde Sie mir nun zurufen. „Nichts Neues und nichts, was etwas in einem Uhrenblog zu suchen hat.“

Dann bitte ich Sie nun die Augen zu schließen und sich die eingangs erwähnten Szenen wie folgt vorzustellen: Eine ungeliebte Armbanduhr, zurückgegeben beim Händler, ein einsamer Zeitmesser, ausgesetzt in der Restmülltonne. Und schon verschwimmen die Grenzen zwischen „Seppel vom Rabenhorst“ und einer Submariner von Rolex. Beide brauchen Pflege, Zuneigung und ein liebevolles Zuhause.

Ergo: Armbanduhren sind kein Weihnachtsgeschenk! Ausnahme: Man(n) schenkt sie sich selbst.

Hier könnte der Artikel sein Ende gefunden haben, wäre es nicht auch meine pädagogische Pflicht, die von mir aufgestellten Behauptungen mit Beweisen zu unterfüttern. Dazu bediene ich mich eines weiteren Bildes: Ihre Frau (Lebenspartnerin, Geliebter, Tochter, Sohn…) setzt Sie in der Fußgängerzone aus mit der Bitte ihr/ihm eine „richtig schöne Handtasche“ zu kaufen. Eigenständig, alleine, ohne Hilfe.

Nein, das ist keine Designer Bag!

Wie groß glauben Sie ist der Prozentsatz deutscher Männer, die um ihre Chancenlosigkeit wissen, auch nur halbwegs und ansatzweise den Geschmack ihrer Partnerin zu treffen? Ich verrate es Ihnen: 114,3%! Statistisch gesehen kennen weniger als 40% der Männer den Unterschied zwischen einer Handtasche und einer ALDI-Tüte. Erschreckend.

Wenn Ihre Frau von einer schönen Handtasche redet, meint sie damit konkret den mid size Shopper „Jacky“ von Gucci aus ebenholzfarbenem Supreem Canvas mit Kolbenverschluss, Mikrofaserfutter und abnehmbarem Schulterriemen. Das neue Modell, nicht das 2014er, ganz wichtig! Frauen sagen immer Handtasche, meinen aber Hobo, Satchel oder Bucked Bag. Crossbody oder Messenger, Henkeltasche, Shopper, Weekender oder Clutch. Baguette ist kein Brot, nur Rucksack ist…ein Rucksack.

Warum sollte es also Frauen besser ergehen, wenn Sie für einen geliebten Partner eine Uhr kaufen? Es gibt keinen Grund. Und bei den meisten Uhren für sie auch keinen Unterschied. Kennen Sie auch den Satz „Aber so eine hast du doch schon!“. Nein haben Sie nicht. Sie haben eine Moonwatch mit Stahlboden und eine mit Glasboden. Vollkommen verschiedene Uhren!!!

Egal wie sehr Ihre Familie auch drängelt („Wolltest du nicht schon letzte Woche sagen, was du dir zu Weihnachten wünschst?“), die Antwort lautet niemals „eine Uhr“. Selbst wenn Sie gemeinsam vor dem Schaufenster Ihres Lieblings-Konzis stehen, ist ein Finger zeigendes „Die da!“ kein Garant für zielgenaue Wunscherfüllung. Spiegelt sich in der Scheibe zum Beispiel die Auslage des gegenüber liegenden Schuhgeschäftes, liegen statt der Breitling Navitimer ein Paar Hochhackige auf Ihrem Geschenkehaufen („DU wolltest die doch unbedingt haben!!“).

Ist die zielführende Kommunikation zwischen Frau und Mann schon schwierig genug, so ist sie zwischen einem Uhrenverrückten und „den anderen“ fast unmöglich. Sein vorweihnachtlicher Satz: „Ich suche noch eine schöne Uhr“ wird von ihr als „Schenk mir eine!“ interpretiert. Die unmissverständliche Aufforderung, ihrem Liebsten eine Uhr zu schenken. Eine, die sie (nicht er) schön findet.

„Ja das hast du aber fein gemalt…soooo süüüß!

Sie haben nichts daraus gelernt, als Sie im Beisein Ihrer dreijährigen Tochter davon sprachen, dass an der linken Wand im Esszimmer noch Platz für ein schönes Bild sei? Und was hing bis zu deren Auszug genau an dieser Wand? Der fotorealistische rote Marienkäfer, den Sie feierlich verbrannten, als die Haustüre hinter Ihrer Tochter ins Schloss fiel.

Dress-Watch junior

Warum wohl trägt der Baumann aus der Buchhaltung eine Regenbogen-Flik-Flak am Handgelenk? Ein Geschenk seiner Zwillinge. Süß, oder? Auch für Uhrenfreunde unmissverständliche Zustandsbeschreibungen bedürfen einer exakten Definition für Ottilie Normalverbraucherin. Während „Vintage“ für ihn älter als 30 Jahre ist, zählt für sie jedes Kleid als vintage, das sie schon einmal getragen hat. Eine „automatische“ Uhr besitzt für ihn einen Rotor für den Aufzug, für Sie eine Batterie für den Dauerlauf. Reden Männer von einer blauen Uhr, sprechen sie über die Farbe des Zifferblattes, Frauen meinen hingegen das Armband. Zum Fullset reicht Frauen schon Uhr und Band, wo hingegen er alles bis hin zur Klebefolie und der Herstellertüte aufbewahrt.

Wie also vorgehen, wenn sich Ihre Frau nicht von der Mission „Uhr für Mann“ abbringen lässt? Folgen Sie dem Beispiel der Handtasche und definieren Ihre Traumuhr bis ins Detail. Besser noch: schreiben Sie es auf, dazu noch mehrere Fotos Ihres Objektes der Begierde – sicher ist sicher. Wenn möglich noch die Bezugsquelle, die durchaus den Unterschied machen kann, denn Frauen kennen Einkaufsmöglichkeiten und Kanäle, von denen wir nichts ahnen. Homeshopping zum Beispiel.

Graf von Monte Wehro – Adel vernichtet.

QVC, HSE24, 1,2,3 TV, Juwelo…und alle haben Sie mindestens eine Uhr im Angebot, die „doch genauso aussieht wie die, die du dir gewünscht hast, Schatz“. Schon wird aus Ihrer „Jaeger LeCoultre“ eine „Graf von Monte Wehro“.

Bitte erliegen Sie nicht dem Irrglauben, dass es hilfreich sei, Ihrer Frau einen guten Freund, ähnlich uhrenverrückt wie Sie, zur Seite zu stellen. „Frag den Peter, der weiß was ich will!“ ist der Anfang vom Ende einer Männerfreundschaft. Denn nun eröffnen sich zwei Möglichkeiten: Ihrer Frau ist die Expertise von Peter sowas von egal, sie ist Ihre Frau, sie weiß was Sie sich wünschen! Noch schlimmer: Peter besorgt statt der gewünschten Omega Seamaster eine bunte Seiko, weil das „sowieso die viel bessere Uhr ist, und günstiger noch dazu. Ich hab auch drei davon!“.

Was bleibt ist der alte „Du suchst, ich finde“-Trick.

„Schatz, du suchst doch noch ein schönes Weihnachtsgeschenk für mich. Zufällig habe ich genau das Richtige gefunden, dann brauchst du dich nicht drum zu kümmern, Bis heute Abend gibt’s auch noch Rabatt drauf, da hast du richtig was gespart. Soll ich schon mal bestellen?“ Ja, es ist durchschaubar, aber Ihre einzige Chance. Versuchen Sie es, sonst bleiben Ihnen nur die Socken.

Sie glauben, das wäre alles übertrieben? Ihre Frau würde nie hinter Ihrem Rücken so etwas Verrücktes tun und Ihnen eine “schöne Uhr“ schenken? Dann kann ich den folgenden drei Jungs nur raten, mit Ihrer Frau/Partnerin/Tochter möglichst schnell zu reden, denn folgende drei Damen haben mich bereits angerufen und um Rat gefragt:

  • Melanie Hauptmann aus Bremen sucht für Ihren „Schatz“ was von Splendor.
  • Gerti Probst aus Hückelhoven will ihrem Bernd eine Rambo-Uhr mit Taschenmesser kaufen.
  • Petra und Uschi aus München schenken Papa ein Swatch und geben dafür seine Submariner in Zahlung.

Die Zeit wird knapp – bald ist Weihnachten. Und wenn Sie Pech haben schenkt man Ihnen eine Armbanduhr.

7 Comments

  1. Mario Bronco sagt:

    Ohhhh….. ich stehe kurz davor mir meine neue Uhr selbst zu schenken.
    Suche aber dringend noch ein paar schlagende Argumente die mich von dieser unvernünftigen Tat abhalten. Es soll die Garmin Marq Adventurer sein.
    Na, jemand ein Argument dagegen?

  2. Guten Abend.
    Wie immer sehr kurzweile aber……..wenn Peter die Seiko Marienmaster MM300 für mich findet, bin ich voll und ganz zu frieden 😉

    Gruß Euer Michel Speth

  3. Stephan sagt:

    Mein Tipp: Den Spieß einfach umdrehen – der Liebsten eine Uhr schenken, die man „notfalls“ auch selbst tragen könnte 😉

  4. distinction sagt:

    Hab mir selbst zu Weihnachten eine bunte (grüne) Seiko (Sumo) geschenkt. Manche Aufgaben darf man nicht delegieren, auch wenn es dann nur die Seiko und nicht die weitere Omega ist! 😉

  5. Frank Hartmann sagt:

    Also, MEINE Frau ist da natürlich ganz anders, wie sie bereits wissen.
    Wie immer fantastisch geschrieben.
    Vielen Dank dafür.

  6. Antje sagt:

    Richtig mein Partner ist was fürs Auge.Den Uhrentick hab ja ich 😉

  7. Christoph sagt:

    Da die „Chefin“ 10 Jahre beim Uhren Magazin war… sind mir solche und viele andere Probleme fremd.. Augen auf bei der Partnerwahl 😎

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