Betrug – in größerer Stückzahl
Heute möchte ich den geneigten Lesenden nichts Unterhaltendes anbieten, nichts über Technik, Design oder Männerspielzeuge. Nein, mein heutiger Beitrag dreht sich um ein Thema, das so alt ist wie des Menschen Trieb Handel zu treiben: Es geht um Betrug. Oder wie der Jurist sagen würde: Beschiss, Abzocke, Verarsche.
Und dieses leidige und teure Thema betrifft nicht nur mich als Händler, sondern kann bei jedem Sammler an die Türe klopfen, besser gesagt durchs Telefon klingen. Ich beginne am Anfang der Geschichte. Als Mensch, der vom Handel mit Uhren lebt, sind mir die gängigsten Kundentypen nicht ganz fremd und meistens auch ganz lieb.
Vom höflichen Nachfrager („Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann würde ich mir erlauben nachzufragen, ob die von Ihnen angebotene Uhr unter Umständen noch käuflich zu erwerben sei.“). Bis hin zum forschen Forderer („Noch einen Tausi runter und ich nehm‘ sie!“).
Trotzdem überrascht mich ab und zu eine Mail wie diese, empfangen über das Kontaktformular meines Shops:
Was beim Jungvertriebler vielleicht zu knallenden Schaumweinkorken führt, macht einen alten Hasen in der Mitte seiner Fünfziger eher stutzig. Biete ich doch beim „Zeitvertreiber“ selten die Marke mit der Krone und so gut wie nie eine Patek Philippe an. Trotzdem ist Höflichkeit angesagt und ich fragte per Mail nach, was er (ich nenne ihn mal Herrn Schwarz) denn „unter einer größeren Stückzahl“ verstünde und welche Summe Geldes er damit verbinden möchte. Ich bot an zu telefonieren, ein erster Test, ob die Nachfrage denn nun wirklich erst gemeint sei.
Nach fast 14 Tagen, die Mail war bereits vergessen, rief Herr Schwarz überraschenderweise an. Der Stimme nach ein höflicher Herr in den Fünfzigern, mit österreichischem Akzent, aber holländischer Telefonnummer – welch eine Kombination.
Herr Schwarz kam ziemlich schnell zur Sache und damit zur Aufzählung seiner Wunschuhren: Rolex in Platin, Nautilus in Mengen und AP in Limitierung. Fürs Erste und zum Kennenlernen solle ich ihm mal ein Angebot über je eine Uhr der drei Marken machen. Ein persönliches Treffen wäre auch nicht schlecht, denn immerhin möchte er in den nächsten zwölf Monaten rund zwei Millionen Euro in Uhren umtauschen. Aha.
Auf meine Frage, ob er denn nicht bei einem der großen Konzessionäre besser aufgehoben wäre, selbst Wempe und Rüschenbeck grinsen im Kreis bei sieben Stellen vor dem Komma, klagte er über die mangelhafte Vorratshaltung der Händler und dass er nicht zum Bittsteller der Konzis werden möchte. Er suche einen Vertrauten, der seriös und diskret alles aus einer Hand abwickeln könne. Und das soll ab nun ich sein. Doppel-Aha.
Er würde sich in den nächsten Tagen noch einmal melden, um ein erstes Treffen zu vereinbaren. Ende der Durchsage.
Nun kann man Folgendes tun: Ausrechnen, um welche Summe es sich bei den angebotenen 10% von zwei Millionen handelt. Oder Kaffee trinken und abwarten. Ich habe mich für Letzteres entschieden, natürlich auch, weil ich nach nicht einmal 5 Minuten die Prozentrechnung gelöst hatte („…ganz schön viel!“).
Daytona, Nautilus, ewiger Kalender und Royal Oak sind natürlich Ansagen, aber nicht in unerreichbarer Ferne, auch nicht für einen Laien. Vor allem, wenn er den erwähnt großen Geldbeutel hat. Ich harrte also der Dinge die da kämen, besser gesagt, mit denen ich mich treffen sollte.
Eine weitere Woche verging bis zum nächsten Anruf: Diesmal ein guter Freund von Herrn Schwarz (Sie erinnern sich: der Österreicher aus Holland). Ich nenne ihn mal Herrn Weiß, seines Zeichens Schweizer, momentan aber in Italien weilend, weil er wegen Corona aus England geflohen sei. Was für eine Vita – Respekt.

Im Uhrengeschäft kommt man ganz schön Rom…
Herr Schwarz habe Herrn Weiß überzeugt, dass ich der Mann ihres Vertrauen sei und nun wolle auch er, Herr Weiß, eine nicht unerhebliche Summe in Uhren investieren. Siebenstellig und…na ja, wie soll er sagen…möglichst in bar. Die darauf folgende Begründung hätte selbst einen Mario Simmel zum Bestseller inspiriert: Als Schweizer Halbjude (was auch immer er mir mit dieser Information sagen wollte) mit gutgehendem Londoner Business kann er in den nächsten drei Monaten aufgrund der mitgeführten Bargeldsumme nicht aus Italien ausreisen. Daher wäre es logisch, dass ich ihn zwecks erstem Kennenlernen in Rom besuche. Bei Bargeschäften in solchem Ausmaße sei ein Treffen vorab unabdingbar. Natürlich buche er mir einen Flug und ein Hotelzimmer in den stadtbekannten fünf Sternen Roms. Und wenn ich schon mal käme, könnte ich vielleicht die ersten drei oder vier Uhren mitbringen. Der Kauf wäre natürlich Ehrensache. Er hat wirklich Ehrensache gesagt…
Ich möchte das nun ein wenig abkürzen, wie es auch der Herr Weiß mit unserem Telefonat tat, als ich mich beharrlich weigerte durch ihn und einen Flug nach Rom reich zu werden.
Was steckt hinter dieser Masche und wie würde so ein „Deal“ ablaufen? Es sollte wohl jedem beim Lesen klar geworden sein (und wenn nicht: ab in die Ecke und schämen!), dass es sich um einen Betrugsversuch handelt – mit Ihnen in der Hauptrolle.
Aber spielen wir es durch: Sie reisen mit einem kleinen Koffer voller Hoffnung und teurer Uhren nach Italien, ins noch teurere und angeblich spendierte Hotel des Herrn Weiß. Man tauscht Geld gegen Uhr und kurz danach merken Sie, dass Bares nicht immer Wahres ist. Per Taschenspielertrick verwandelt sich der echte in einen falschen Euro und der Zöllner bei der Rückreise in einen Kerkermeister.
Oder man lockt Sie mit einem kleinen realen Geschäft und guter Marge. Und im zweiten Schritt mit noch größeren Gewinnen durch „in Italien absolut legale Finanztransaktionen zum Nachteil des Staates“ („…vertrauen Sie mir, ich bin Schweizer Banker!“).

Bargeld ist manchmal eine saubere Sache
Wie suchen sich die Herren Weiß und Schwarz ihre Opfer? Zum Beispiel auf chrono24. Bevorzugt kleine Händler mit geringem Volumen oder Privatanbieter, die mehrere Luxusuhren gleichzeitig anbieten. Besonders gerne die, die sich bei hochspekulativen Modellen der Luxusanbieter etwas „nebenbei“ verdienen möchten.
Ich weiß, ich weiß, Ihnen könnte so etwas nicht passieren. Dann erzählen Sie es bitte den anderen Uhrenverrückten, denen Sie solch eine Dummheit zutrauen.
Sollten die nicht gerade nach Zentralafrika gereist sein, zu Abu N’Bele, dem Stammesprinzen, der aktuell zwei Millionen von seinem Erbe verschenken möchte…
2 Comments
Vor geraumer Zeit im TV wurde von einem Juwelier berichtet, der sich exakt mit dieser Masche nach Italien locken ließ…
Wie wir alle wissen:
wenn ein Geschäft zu schön ist um wahr zu sein, dann ist es zu schön um wahr zu sein.
Gruß Michel Speth