Luxus in Zeiten von Corona

Mein Gott, jetzt schreibt der Herr Strohm auch noch was zu Corona, muss das sein?

Nein, muss es nicht. Wie so vieles in dieser Zeit nicht sein muss: Ohne Grund vor die Tür gehen, das Risiko ignorieren, Luxus kaufen. Und da sind wir auch schon beim Thema: Luxus. Mir hat ein Branchenkenner einmal gesagt, dass die deutsche Durchschnittsuhr 133,- Euro kostet. Für überdurchschnittlich viele Menschen ist also alles jenseits dieser Benchmark der reine Luxus. Etwas was man sich leisten will und auch kann, ohne es zu brauchen.

In Krisenzeiten – und eine solche haben wir jetzt auf nicht absehbare Zeit – steht das, was wir nicht brauchen auch nicht auf dem Einkaufzettel. Wer nicht weiß, was morgen auf den Esstisch kommt, der kauft sich heute keine Sitzgarnitur. Das klingt im ersten Moment logisch, füttert aber auch die Katze, die sich in den Schwanz beißt.
Ich gebe zu bedenken, dass oftmals die, die jetzt Klopapier horten, vor sechs Wochen noch den 4 Quadratmeter Full-HD-Fernseher ratengekauft haben als gäbe es kein Morgen. Sie haben drei Spielekonsolen am Start und mindestens ein iPhone 11.
Bis heute wird die Wirtschaft von vielen mit Konsum angekurbelt, den sie sich eigentlich nicht leisten können. In Zeiten von Corona droht sie gebremst zu werden, von denen, die es sich leisten können.

Man mag von der Politik halten, was man will, aber sie hat Milliardenprogramme auf den Weg gebracht, die – richtig eingesetzt – den Unternehmen und damit auch den Arbeitnehmern zugutekommen. Es werden Gelder fließen, die vor allem den Einzelunternehmern und Kleinstbetrieben helfen, die schweren Zeiten etwas besser zu überstehen. Es wird Insolvenzen geben, Firmen machen dicht, Menschen werden arbeitslos.
Trotzdem bin ich mir sicher: Wir werden nicht in einem halben Jahr ein Land von Arbeits- und Mittellosen sein. Wir haben knapp zwei Millionen Beamte, dazu kommen rund 1,4 Millionen Vermögensmillionäre und ein durchschnittliches Sparvermögen von über 50.000 Euro pro Kopf. Es gibt also genügend Menschen, die das Rad am Laufen halten können – und auch das ist Solidarität.

Die absolute Mehrzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in gesicherten Arbeitsverhältnissen, denen auch ein Virus nichts anhaben wird.
Es sind die 2-3 Mann/Frau-Betriebe, die ums Überleben kämpfen. Und aus Erfahrung weiß ich, dass gerade diese Kleinstunternehmer/innen bis zur letzten Sekunde versuchen, ihre Miete und Mitarbeiter zu bezahlen, lieber die Insolvenz in Kauf nehmen, als ihren Traum aufzugeben.

Der größte Fehler wäre es, denen gegenüber so zu tun, als gäbe es vielleicht ein Morgen, aber leider kein Heute. Bisher haben wir doch auch 15-30.000 Grippetote im Jahr ignoriert. Ebenso die geschätzt 20.000 Tote durch Krankenhauskeime jährlich. Den Absatz von Klopapier hat das nie wirklich gefördert. Wer 60 Kippen am Tag raucht, der wirkt mit einem Mundschutz gegen Lungenkeime eher lächerlich.

Lassen Sie uns ein wenig das Gehirn einschalten. Es gibt ein (gesellschaftliches) Leben nach Corona und das können wir bereits jetzt aktiv gestalten. Die Panikmache schadet vor allem den klein- und mittelständischen Unternehmen, Dienstleistern und dem Handel, die heute schließen, wenn ihre Kunden erst „später“ kaufen. Minibetriebe, die keine Lobbyisten in Berlin bezahlen können. Der Handwerkerauftrag, der jetzt gestrichen oder verschoben wird. Oder noch schlimmer: die offene Rechnung, die nicht bezahlt wird – man weiß ja nie, ob man es nicht woanders braucht. Wer diese Leistungen jetzt als Luxus ansieht, der verkennt, dass Menschen dahinterstecken, die nicht im Luxus leben. Eine Uhr für 100.000,- Euro wird vielleicht von einem Millionär gekauft, aber nicht von einem gebaut. Aktuell sind 6.000 Mitarbeiter von der zeitweisen Schließung der Rolex-Betriebsstätten betroffen. Daraufhin ins Jammern zu verfallen, dass jetzt die Wartezeit auf die GMT II noch länger wird, ist  vornehm ausgedrückt pervers.

Wer jetzt aus unbegründeter Angst wichtige und eingeplante Investitionen oder Einkäufe verschiebt, entzieht den Dienstleistern und den Menschen in der Produktion dieser Waren, im Handel und im Verkauf ihre Lebensgrundlage. Sie erkennen den Schwanz, in den die Katze beißt?
Ich habe mich entschlossen, das Projekt „Herrensalong“ unverändert voranzutreiben (https://herrstrohmsuhrsachen.com/salong-sucht-loewen/). Die Handwerker sind beauftragt, die ersten Arbeiten im Gange. In den noch leeren Räumen besteht für niemanden eine Ansteckungsgefahr. Wahrscheinlich wird sich die Fertigstellung verzögern, wegen Lieferengpässen und Infektionsfällen. Dann ist es eben so. Aber auch nach der Krise wird dieses Konzept funktionieren und in der Krise ist die Zeit es anzupacken. Ich persönlich leiste mir den Luxus der Zuversicht und des Glaubens an die eigenen Fähigkeiten.

Der junge Handwerksmeister Mitte 30 wird wohl nicht an Corona sterben, aber an leeren Auftragsbüchern. Ausbleibende Kunden treffen den Bioladen genauso wie die Luxus-Boutique. Die kleinen Ladengeschäfte sind auf die Treue der Kundschaft angewiesen. Auch hinter vielen Online-Shops stecken Einzelunternehmer, die sich eine berufliche Existenz aufgebaut haben – halt nur online. Ich weiß wovon ich rede.
Sogar Händler ohne Online-Shop haben ein Telefon. Wenn Sie wissen, dass der Laden Ihres Vertrauens genau das gewünschte Produkt vorrätig hat – warum nicht telefonisch bestellen? Auch wenn die Ladentür geschlossen bleiben muss, der Postweg ist nach Vorkasse immer noch machbar. Und dem Einzelhandel ist wirklich geholfen.

Wer jetzt leichtfertig die Wirtschaft kaputt redet, wird esum so schwerer haben, sie wieder aufzubauen. Geschäfte, die aufgrund der Krise schließen, werden nach der Krise einen schweren Start haben.
Ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn Sie vom lange gehegten Wunsch eines neuen Möbels, der edlen Hi Fi-Anlage oder einer teuren Uhr Abstand nehmen. Wir reden hier über ein Luxusgut, und es ist Ihr Recht und Ihre Pflicht für sich und die Familie zu entscheiden, ob es Wichtigeres gibt. Es gibt aber auch keinen Grund, diejenigen, die es sich leisten können und wollen zu bewerten. Von oben herab, vom hohen Klopapier-Stapel.

Die Wirtschaft braucht kein Spendenkonto – sie braucht Kundschaft!

Achten Sie auf sich und andere und vor allem: Bleiben Sie gesund!

13 Comments

  1. a g sagt:

    Wie immer sehr schön geschrieben und meiner Meinung nach absolut richtig.

    Es muss irgendwie weitergehen; und wenn jeder nun seine geplanten Investitionen komplett einspart wird das keine „Bremsung“ sondern eine Frontalaufprall in die Wand.

  2. drjsimonis sagt:

    Ein kluger rationaler Beitrag in diesen irrationalen Zeiten.
    Danke dafür.

  3. Sascha sagt:

    Wahre Worte!👍

  4. B.Klingberg sagt:

    Warum aber stoppt Rolex die Produktion wenn es doch nirgends welche zu kaufen gibt, zumindest deren Stahluhren betreffend?
    Man könnte die leeren Auslagen der Händler wunderbar füllen.
    Ich würde mir gern mal eine anlegen um dann über einen Kauf nachzudenken.
    Die Mondpreise des Graumarktes zahle ich sicher nicht!

    • Herr Strohm sagt:

      Ich spekuliere jetzt mal ganz wild: der Stopp könnte natürlich auch eine mitarbeiterschützende Maßnahme wegen des Coronavirus sein…

    • Pete sagt:

      Rolex schützt seine Mitarbeiter und alle Rolex-Produktionsstätten sind nicht unerheblich abhängig von Grenzgängern aus Frankreich. Von daher war die Massnahme nicht nur richtig, sondern auch vorausschauend. Geordnet runterfahren, bevor äussere Faktoren ein unkontrolliertes Runterfahren erfordern.
      Die Situation bei uns hier in der Schweiz ist etwas näher an Italien als an Deutschland, dementsprechend drastisch sind auch die Massnahmen des Bundes.

      An Herrn Strohm: Vielen Dank für den Beitrag! Die Diskussionen in Uhrenforen haben ein teils unerträgliches Mass angenommen. Von Profitgier über bigotte Verdammung von Luxusgütern.

      Ist es unethisch sich eine Luxus-Uhr zu kaufen, weil Menschen in ihrer Existenz oder ihres Lebens bedroht sind? Wer so argumentiert offenbart eine unglaubliche Ignoranz gegenüber denen, die unabhängig von irgendwelchen Pandemien ständig in Armut leben oder an vermeidbaren Krankheiten sterben. Das relativiert weder die Corona-Krise noch soll’s irgendwem ein schlechtes Gewissen machen. Aber wer so argumentiert hat schon sehr lange in seiner Blase gewohnt.

      Wer sich eine Uhr im mit Vernunft schwer zu erklärenden Preissegment kauft, hat für das Geld meistens gearbeitet, anderen Arbeit gegeben und hält das System von dem wir alle profitieren am Laufen.

      Von daher: Weiter Spass am Uhrenhobby haben. Bewusst konsumieren. Und auch mal über den Tellerrand hinausschauen und versuchen etwas zu verändern.

  5. Thomas sagt:

    Wahre Worte !

  6. Marcus F. sagt:

    VIELEN DANK

  7. Christoph Stoos sagt:

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

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