Uhr-Zeiger. Sinn?

Vom Sein und Schein auf Instagram. Der Uhrenliebhaber an sich wird dem Objekt seiner Begierde immer ähnlicher. So wie Hund und Herr/Frauchen. Damit meine ich nicht, dass seine Haut im Laufe der Jahre immer mehr der ledrig-faltigen Struktur entspricht, die wir von den Produkten namhafter Bänder-Gurus kennen – zu finden allesamt unter www.bandwexel.de (der Werber nennt so etwas Cross-Promotion).

Die inneren Werte von Sammler und Sammelobjekt haben viel gemeinsam: Die „Unruhe“ (beim Warten auf das neue Schätzchen) oder die „Hemmung“ (dem Weibe zu gestehen, wie viel eben selbes genau gekostet hat). Am häufigsten ist allerdings die Mutation zum „Zeiger“. Und wie beim Zeitmesser gibt es auch hier große und kleine. Das Maß der Dinge ist hierbei die Anzahl der Selfies, in unserem Falle „Watchies“ (watch ohne self), die vom Träger der Uhr (der nicht gleichzeitig auch der Besitzer sein muss) in den sozialen Netzwerken penetriert werden. Besonders hervor tut sich dabei „Instagram“, die kurztextige und hashtag-verseuchte kleine Schwester von Facebook. Natürlich bin ich dort selbst vertreten, publiziere also auch meine Bilder für eine stetig, wenn auch langsam wachsende Fangemeinde. Senden und empfangen – so die Spielregeln im Netz.

 

In diesem Artikel geht es ausschließlich um die Empfängnis, die man als Abonnent nicht verhüten kann. Hunderte von themengebunden Bildern gilt es täglich zu bestaunen und dabei Neid und Brechreiz gleichermaßen zu unterdrücken. Bereits nach kurzer Zeit kann der interessierte Nutzer auch ohne Psychologie-Studium die Watchies katego- und katalogisieren. Sich die Menschen hinter der Uhr auf’s Bunteste ausmalen, denn nur im seltensten Falle ist das Gesicht des Publizisten erkennbar. Somit fehlt auch jeglicher, verlässlicher Nachweis, ob das brilliantenbesetze Prachtstück im Eigentum vom „Billionaire-Boy-69“ ist. Der Neid…Sie wissen.

Nun also ran ans Bild, wir lassen es langsam angehen. Meine Ausbeute aus einer Stunde Instagram-Surfen.

Man zeigt mit bescheidenem Stolz das neuste Mitglied der Familie – festgebunden am eigenen Handgelenk. Diese Sonderform des „Watchies“ heißen „Wristies“ (engl. Wrist = Handgelenk). Gerne genommen in der Kombination mit fremden Orten. „Wo tragen Sie denn Ihre Uhr?“ „In St.Tropez!“

Dabei handelt es sich um EINE Uhr an EINEM Handgelenk, die Mehrzahl von einem oder beidem sähe dann so aus. Wohl in Ehrfurcht vor dem Gründervater der Plastikuhr Nikolay Hayek, der nie ohne mindestens ein halbes Dutzend Uhren an mindestens zwei Handgelenken aus dem Hause Swatch ging. Und was so alles auf/an so eine Hand an Uhren passt – Wahnsinn.

Doch schon bald mutieren diese Handgelenks-Schüsse in verschiedenste Richtungen. Das ist vielleicht der Langeweile geschuldet, denn so mancher hat halt nur eine Uhr und maximal zwei Handgelenke. Also richtet man den Handy-Auto-Fokus auf die nähere (Handgelenks-) Umgebung.

Da wäre zum einen der Uhren-Buddy, mit dem man sich doch genüsslich batteln kann. Sozusagen freundschaftlicher Schwanzvergleich fürs Handgelenk. Auch hierbei gilt: Mehr ist mehr. Die Hände zum Himmel – oder vor das Smartphone. Lass die Welt wissen, dass wir die Ritter der Uhrenrunde, die Gralshüter des teuren Geschmackes sind. Darauf eine dutzendfache Gettofaust.

Wenn wir schon von schierer Masse reden: Auf die Frage nach der Anzahl der im Besitz befindlichen Uhren kann man bescheiden antworten: „So viel sind es nun wirklich nicht.“ Oder in der unbescheidenen Variante: „Ein ganzer Haufen!“ Die entsprechenden Bilder der möglichst lässig hingeworfenen Sammlungen sehen dann so aus. Oder gestapelt. Oder als Tannenbaum…

Kommen wir nun zu den möglichen Kombinationen „Uhr + …“

Schaut der Fotograf an sich herunter, erblickt er die nächsten Statussymbole. Dabei ist zu erwähnen, dass wir vom bekleideten Knipser reden, die Plattform der nackten heißt „Youporn“. Stolz zeigt der modebewusste Uhrologe seine Kombinationen aus Uhr und wechselweise Schuhen, Socken und Beinkleid. Farblich passend und immer in natürlicher Körperhaltung.

Gesondert kann auch der einzelne Anzugsärmel („suitshot“), garniert mit Hemdmanschette und gleichnamigen Knöpfen, den Status und Maßschneider des Trägers repräsentieren.

Bekleidung wäre damit durch, kommen wir zum Irrtum, dass der Ehering und die Uhr die einzigen Schmuckstücke des Mannes sein dürfen. Die nächsten Beispiele zeugen eher vom Wunsch: „Am Bling eines Mannes erkennt man…“ Sie wissen schon. Schmuck ist was Tolles, hochwertiger noch mehr, doch leider hinterlassen Metallkettchen, auch wenn sie edel sind, bleibende Eindrücke an der Uhrenflanke, vor allem der güldenen. Ich würde diese Kombination also für jeden Uhrenliebhaber als Schwachsinn definieren.

Kein Schmuck zur Hand? Dann ist Bares wirklich Wahres. Gerade der amerikanische Connaisseur hält die Kombination aus Papier und Patek für unwiderstehlich – man darf geteilter Meinung sein.

Richtig wild wird es, wenn der Besitzer der Uhr/en auch seine anderen Besitztümer mit aufs Bild quetschen möchte. Ganz vorne mit dabei: Das Automobil. Es trägt durchweg den Vornamen Luxus und kann von außen (gehört mir nicht) oder von innen (gehört mir nicht, ich durfte mich aber reinsetzen) abgelichtet werden. Wer vom Händler den Schlüssel bekommt, knipst sich gerne auf der Autobahn in der immer gleichen „Hand am Lenker – Marken gut sichtbar“ Pose. Angeblich gibt es in Dubai eine Autovermietung, die sich auf „Car-Watchies“ spezialisiert hat.

Sie möchten auch während der rasanten Fahrt die Zeit immer im Blick haben? Hier ein paar Vorschläge für den unbescheidenen Transport Ihrer Sammlung.

Doch ein Leasingvertrag macht noch keinen Genießer. Wer sich als solcher in den Netzwerken platzieren möchte, greift zu den Drogen der oberen Zehntausend: Champagner und Zigarre.

Bei den etwas Bescheideneren macht es auch schon einmal der Espresso. Die Cohiba zur Cartier, der Mokka zur Moonwatch…warum auch immer.

Wer es richtig geschafft hat, der überlässt in Sachen Accessoires nichts mehr dem Zufall. Ihr Ballermann passt nicht zur Breitling? Ihr Handy nicht zur Hublot? Dann sind Sie sowas von unten durch. Hier ein paar „Einrichtungsvorschläge“.

Damit war meine Stunde Instagram eigentlich am Ende. In der letzten Sekunde fand ich dann noch dieses Uhrenbild. Es soll wohl symbolisieren, dass Glashütter Manufakturen in einem tiefen Tal liegen. Glaub ich…

9 Comments

  1. wäre es mal nur Comedy……. aber nein, es ist der ganz normale Wahnwitz einer Gesellschaft, in der Schein allmächtig ist. Ich bin, was ich trage, fahre, oder sonst irgendwie zur Schau stelle. Der Wert eines Menschen berechnet sich demnach womit er protzt. Haste nix, biste nix. Ok, das Thema ist jetzt nicht wirklich neu, hat aber in erschreckendem Maße einen erheblichen Stellenwert im Alltag eingenommen. Du zählst in den Augen vieler nur noch etwas wenn du entsprechend blenden kannst. Ich bin zum Glück blendfrei.

  2. Martin sagt:

    Das Mitteilungsbedürfnis ist manchmal schon sehr absurd… „Mist, Handy vergessen, jetzt kann ich gar nicht posten, dass ich im Fitness Studio war, wieder umsonst trainiert“…. allerdings muss ich mich da selbst an der Nase fassen… immerhin poste ich regelmäßig meine neuen Schallplatten… bei Uhren hätte ich da nicht viel zu tun, da mein letzter Neukauf 20 Jahre her ist 😉

  3. Rene sagt:

    …und ich glaube, das letzte Bild soll veranschaulichen, dass man die leichtgängigen Drücker für die Totalisatoren auch mit gröbsten Wurstfingern oder ähnlich voluminösen Dingen einwandfrei resetten kann.

  4. Rene sagt:

    Ich kann nicht mehr! Mir ist vor Lachen die Zigarre auf den Teppich und der Espresso über die Hose gekippt. So ein Mist aber auch.

    Das Foto mit den Uhren am Lenkrad hat mich aber dennoch .. nun ja… „beeindruckt“ – bei Uhren mit Faltschliesse war das ja mal richtig viel Arbeit, die da dran zu bekommen. Ist schon erstaunlich, wie wichtig es dem Fotografen war, diesen Aufwand zu betreiben. Da ich weder Wristshots mache (fand ich schon immer albern, ausser bei Journalisten, die ein Review schreiben), noch überhaupt ein Instagram Konto besitze (nein, meine Lebenszeit ist mir diesen Mist nicht wert), ist das ein schöner Einblick in die Welt der Geltungssucht.

    Danke Herr Strohm. Köstlich!

  5. Michael sagt:

    Viel Wahres…es gibt sie aber, die guten Fotografen auf Instagram. Die haben Sie leider ausgeblendet.

    Schauen Sie mal @tyalexanderphotography oder mein Profil @mpbene6110.

  6. Thomas H. sagt:

    Geil geschrieben. Bekomme vom Lachen wahrscheinlich jetzt bald Muskelkater im Bauch.

  7. THE LLIGHT sagt:

    Danke für Einblicke in Abgründe, lieber Herr Strohm!

  8. Udo Rettner sagt:

    Herrlich …. einfach genial.

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