Cornelius Kaufmann: „Bei einem Uhrenband ist Qualität nicht verhandelbar.“
Wer mit Cornelius Kaufmann über Uhrenarmbänder spricht, wird spätestens nach einer halben Stunde versuchen, das Standardband seiner Armbanduhr unauffällig zu entsorgen und eine Maßanfertigung des Hauses Kaufmann zu montieren. Kaufmann, Chef der „Wilhelm Kaufmann & Sohn Kommanditgesellschaft“ mit Sitz in Mühlheim bei Frankfurt ist die zweite von jetzt drei Generationen im Familienunternehmen.
Er lebt Uhrenbänder – von der Entwicklung, dem Design bis zur Herstellung und dem Verkauf. Ich habe mich mit ihm darüber unterhalten, was eine verlorene Uhr, das Heiraten und Hermès-Krawatten mit dem Bändermachen zu tun haben.
Zur Person
Name: Kaufmann, Cornelius
Jahrgang: 1954
Unternehmen: Wilhelm Kaufmann & Sohn KG
Position: Inhaber
Im Unternehmen seit: 1972
Ein paar Eckdaten zum Unternehmen
1942: Mitten in den Wirren des zweiten Weltkrieges gründet der damals zwanzigjährige Schweizer Wilhelm Leo Kaufmann das Traditionsunternehmen. Zusammen mit seinem Bruder Karl und seiner Schwester Anneliese werden zunächst nur feine Gürtel gefertigt.
Mit seiner Lieblingsuhr im Gepäck begab sich der Firmengründer auf eine Reise durch die Schweiz. Ein unschönes Erlebnis gibt die Initialzündung für den jetzigen Erfolg: Durch ein mangelhaftes Uhrenarmband verliert der Gründer auf einer Wanderung seine Uhr. Die anfängliche Enttäuschung mündet im Unternehmertum und dem Vorhaben, die besten Uhrenarmbänder zu entwickeln – die bis heute das Kernprodukt von Kaufmann sind.
1972: Cornelius Kaufmann, der Sohn des Firmengründers, beginnt im elterlichen Betrieb seine Ausbildung zum Industriekaufmann und schließt diese 1974 erfolgreich ab.
Cornelius Philipp, der Sohn des jetzigen Inhabers, tritt 2007 in das Familienunternehmen ein. Damit ist auch die dritte Generation aktiv bei Kaufmann vertreten.
Und nun zu den Fragen
Sie sind in ein Familienunternehmen hineingewachsen, das von Anfang an den Anspruch hatte, „die besten Uhrenbänder der Welt“ anzufertigen. Sind Sie diesem Ziel nähergekommen oder haben Sie es bereits erreicht?
Der Vorsatz meines Vaters wird vom Unternehmen so verstanden, dass der Weg das Ziel ist. Jeden Tag arbeiten wir daran, besser zu werden.
Kaufmännische Ausbildung, Militärdienst,dann ein berufsbegleitendes Studium, wann kam das Handwerkliche in Ihr Leben?
Ich bin ja schon als Kind und Jugendlicher mit Begeisterung in unserer Firma herumgesprungen. Da habe ich hier und da geholfen und mit den Jahren die Arbeitsgänge verinnerlicht. Später mit meinem Vater immer weiterentwickelt, auch wenn mein Part immer im Verkauf gelegen hat. Es war fließend, den Zeitpunkt kann ich nicht nennen.
Ganz direkt gefragt: Kann der Chef seine Bänder noch selbst anfertigen?
Ja, das kann ich. Natürlich bin ich bei dem einen oder anderen Arbeitsgang nicht so flink wie meine versierten Mitarbeiter/innen. Aber es gibt auch Dinge, da halte ich locker mit unseren Besten mit.
Welchen Stellenwert hat für Sie noch die Uhr, die von einem Kaufmann-Band gehalten wird?
Einen ganz hohen, denn sie wurde ja von uns gekleidet.
Was begeistert Sie an Uhren: Das Innere oder das Äußere?
Beides.
Grande Complication oder geniale Schlichtheit?
Ich bewundere eine Patek Philippe ebenso wie eine Nomos.
Ihre erste wirklich „wertige“ Uhr war eine…?
Omega Speedmaster Professional Handaufzug.
Wie viele verschiedene Uhren tragen Sie regelmäßig? Oder ist es nur eine an verschiedenen Bändern?
Etwa zwanzig. Und für alle habe ich verschiedene Outfits.
Eine Uhr ist angeblich das einzige Schmuckstück, das ein Mann tragen sollte. Welchen Anteil an einer gelungenen Optik hat das Band?
Ganz frech: 60 %
Wie mutig darf ich bei der Wahl meines Bandes sein? Darf ein Band den optischen Eindruck einer Uhr verändern – vielleicht sogar optimieren?
Nehmen wir doch einfach folgende Kombination: Uhr mit einem schwarzen Blatt und dem schwarzen Band. Ob Sie mit einem Band in braun, grau, rot oder gelb die Uhr kleiden, sie erreichen beides.
Welches ist Ihre liebste Uhr – Band Kombination?
Omega Speedmaster Bi-Color, weisses Blatt mit einem Alligator brillant, bombiert, Farbe gold, mit GT Lochung.
Gibt es eine bestimmte Uhr, für die Sie mal gerne ein passendes Band maßschneidern würden?
Ja, für die Tudor Black Bay.
Seit einigen Jahren etablieren sich kleine 2-3 Personen-Manufakturen als „Maßschneider“ für individuelle Uhrenbänder. Wie viele Menschen arbeiten bei Ihnen in der reinen Bänderherstellung, fertigen also von Hand?
Man kann unsere Produktion mit den von Ihnen genannten Betrieben überhaupt nicht vergleichen. Bei 50, 70 oder 100 Mitarbeitern benötigen Sie mehr als nur Produktionsaufträge.
Welche Teile der Produktion übernimmt eine Maschine, welche der Mensch?
Die Maschinen sind in unserer Produktion nur die Gehilfen der Mitarbeiter/innen.
Unterscheiden sich die Herstellungsverfahren je nach Preisklasse der Bänder?
Wir fertigen unsere Uhrenarmbänder in den Produktionsarten Coupé franc und Rembordé.
Coupé franc ist die aufwändigste Art ein Band mit einer von Hand lackierten Kante zu fertigen. Die Kante wird mehrmals lackiert und geschliffen, bis wir das gewünschte Resultat haben. Rembordé (bitte nicht verwechseln mit Semi-Rembordé oder rembordiert) bedeutet eingeschlagen. Das Oberleder wird mit einer 5 mm breiten Lederkante über die Einlage eingeschlagen und mit dem Futterleder geschlossen. Eine traditionelle Methode von Könnern für Kenner. Rembordé ist zu meiner grossen Freude besonders in der Haute Horlogerie wieder im Aufwind. Natürlich ist der Aufwand je nach Modell und Art unterschiedlich. Die Qualität ist aber bei jedem Modell das für uns maximal Machbare.
Kommt an jede Ihrer Uhren automatisch ein neues, individuelles Band oder gibt es Uhrenhersteller, die von Hause aus wirklich gute Bänder liefern?
Natürlich gibt es von verschiedenen Herstellern sehr gute Uhrenarmbänder. Aber ich kleide meine Uhren mit meinen eigenen. Ausserdem habe ich eine andere Einstellung der Farbkombinationen. Ich würde z. B. ein blaues Blatt nicht mit einem blauen Band kombinieren, weil die Töne nie passend sind. Blau mit cognac oder einem schönen Braun, dass ist nobel.
Wenn Sie ein nicht uhrenaffiner Freund fragt, wie viel er denn mindestens für ein gutes Lederband ausgeben muss, dann sagen Sie?
Bei uns gibt es schon zwischen 40 und 100 Euro sehr schöne Modelle und eine Spitzenqualität.
Welches Handwerk steckt genau hinter dem „Bändermachen“? Können Sie die Arbeitsschritte kurz aufzählen?
Die Berufsbezeichnung ist Feintäschner. Es sind bei uns im Durchschnitt 84 Arbeitsgänge, welche bei der Lederauswahl beginnen. Es fängt beim Stanzen an, dann kommt Spalten, Schärfen, zahlreiche Umbiege- und Klebearbeiten, Fertigstanzen, Nähen, Schlaufen machen, Lochen und zum Schluss kommt das Verheiraten der einzelnen Bandteile. Der vorletzte, also der 83. Arbeitsgang ist ganz wichtig, den die Heirat bedeutet, dass das Lederbild vom langen und kurzen Bandteil besonders gut zueinanderpassen.
Sie unterscheiden bei Ihren Bändern zwischen „Standard“ und „Einzelanfertigung“ – beschreiben Sie uns bitte den Unterschied.
Das Standardband fertigen wir in Serie und haben es meistens am Lager. Die Einzelanfertigung wird einzeln nach Kundenwunsch gefertigt.
Welche Teile / Merkmale kann ich bei einem Kaufmann-Band individualisieren?
Wenn Sie sich das Buch der Kaufmann Einzelanfertigungen ansehen, dann zeigen wir auf mehr als 300 Seiten,was machbar ist. Eigentlich alles.
Wie hoch ist der Anteil der komplett individualisierten Bänder gegenüber den Standard-Auslieferungen?
Etwa ein Fünftel.
Nun ist es für einen Nicht-Fachmann schwierig, alleine die Ansprüche und die Wünsche zu formulieren. Wie unterstützen Sie Ihre Kunden dabei?
Wir haben für den Fachhandel ein umfassendes Seminarprogramm. Endverbraucher senden uns oft ein Musterband oder Bilder. Unsere Mitarbeiter/innen im Innendienst und im Aussendienst machen da einen sehr guten Job.
Die großen Marken verlangen beim Nachkauf „markeneigener“ Bänder oft Hunderte von Euros. Gerechtfertigt oder Geldmacherei?
Wenn der Endverbraucher die Qualität mit den Preisen vergleicht, ist die Situation in der Tat nur sehr schwer nachvollziehbar.
Ich persönlich habe das Gefühl, dass bei der Uhr selbst in puncto Qualität, Materialien und Verarbeitung geklotzt wird, bei Band aber nur gekleckert. Täuscht mein Eindruck?
Nein, leider nicht.
Wie viele Uhrenhersteller statten Sie serienmäßig mit Bändern aus?
Lieber Herr Strohm, wir hatten vereinbart, dass ich nicht jede Frage beantworten muss.
Von der Bestellung bis zur Auslieferung – wie viele Stunden Arbeit stecken in einen Band von Kaufmann? Bei einem Serienmodell und einer Sonderanfertigung.
In der Fertigung kalkulieren wir ein Serienband mit rund 40 Lohnminuten. Eine Einzelanfertigung dauert je nach Modell bis zu 4 Arbeitsstunden.
Welche Eigenschaften muss ein perfektes Band erfüllen, unabhängig vom Preis?
Sehr gutes Leder, eine tadellose Verarbeitung und hoher Tragekomfort.
Was ist Ihr Bestseller und warum?
Unser Modell Sauvage. Es ist sehr weich, angenehm zu tragen und in 40 Farben erhältlich.
Kann jedes Leder zu einem guten Uhrenband verarbeitet werden? Was eignet sich am besten, was geht gar nicht?
Im Prinzip alle. Wir verarbeiten aus technischen Gründen keine Rochenleder und aus ethischen Gründen keine Schlangenleder.
Zwischen wie vielen Lederarten und -farben kann ich als Kunde bei Ihnen auswählen?
Ich habe für Sie nachgezählt. Aktuell verarbeiten wir 43 verschiedene Leder in rund 380 Farben, welche wir im Kaufmann Buch 2019 anbieten. Aber das ist nicht alles.
Reden wir über Preise. Wo fängt das Sortiment an und was muss ich für das teuerste Kaufmann-Band ausgeben?
Wir beginnen bei 30,- Euro, liegen bei etwa 200,- Euro für ein schönes Alligatorenband. Einzelanfertigen können je nach Wunsch bis zu 400,- Euro kosten.
Können Sie uns etwas über den ausgefallensten Kundenwunsch sagen? Das Band, das vielleicht teurer war als die Uhr, die es hält?
Ein Brauereibesitzer kaufte sich jede seiner Hermès Krawatten immer zweifach. Die eine zum Tragen und von der zweiten hat er sich bei uns Uhrenarmbänder anfertigen lassen.
Nachhaltigkeit und Artenschutz sind ein großes Thema in der Luxusbranche. Sind exotische Leder heute noch zeitgemäß?
Ja, auf jeden Fall. Ich erfahre immer wieder, dass für eine feine Uhr ein Band aus Alligatorenleder für sehr viele Kunden einfach sein muss. Die Wertigkeit der Uhr verbunden mit dem Band macht sie glücklich und mich auch.
In Ihrem Showroom bei Frankfurt finden sich auch exklusive Gürtel, Taschen und Accessoires. Ein weiteres, expandierendes Standbein? Oder nur die Abrundung des Angebotes?
Wir fertigen Uhrenarmbänder und Gürtel. Die Produktion von Taschen und Accessoires haben wir Ende 2015 eingestellt.
Handwerk meets Social Network. Ist handwerkliche Tradition ohne Online-Präsenz noch machbar?
Im Kleinstbetrieb vielleicht. Auf Dauer ganz sicher nicht. Das Informationsbedürfnis der Verbraucher ist vorhanden. Wir geben uns grosse Mühe dem Endverbraucher Anworten auf seine Fragen zu geben.
Ihrer Website ist ein Online-Shop angeschlossen. Kann es funktionieren, ein Band ungesehen zu kaufen?
Zu meiner eigenen Überraschung: ja und zwar sehr gut. Der Endverbraucher ist in den meisten Fällen sehr gut informiert und weiß ziemlich genau, was er will.
Würden Sie keine Bänder herstellen, dann wären Sie jetzt:
Koch oder Gärtner
Welches berufliche Ziel möchten Sie unbedingt noch erreichen?
Im nächsten Jahr erreiche ich ja das gesetzliche Rentenalter. Es stört mich nicht. Ich möchte einfach weitermachen wie bisher.
Und welches private?
Auch hier plane ich keine grossen Änderungen.
Welche Passion, die nicht mit Leder zu tun hat begeistert Sie?
Fotografieren, Kochen, schwimmen.
Noch irgendwelche berühmten letzten Worte?
Qualität, Ehrlichkeit und die Herkunft unserer Produkte sind nicht verhandelbar.
Herzlichen Dank.
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In der Reihe „Die Uhrenbeweger“ interviewe ich – meist per Fragebogen – Menschen, deren berufliches Leben eng mit dem Thema Uhr verbunden ist. Entscheider/innen aus der Uhren-Industrie und dem Uhren-Handel, Uhrmacher, Designer, Sammler und andere Verrückte.
Fragen und Antworten werden von mir unkommentiert veröffentlicht. Ich werde für keinerlei Leistungen im Rahmen der Veröffentlichung bezahlt, weder für die Abbildung von Produkten oder Marken, noch für die Verlinkung zu dem Unternehmen des Interview-Partners.
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4 Comments
Na ähnliches kann ich auch nur berichten. Für mein JLC Uhr habe ich in Berlin beim Premium Juwelier ein Kaufmann Alligatorlederarmband in Auftrag gegeben. Mit Kautschuk an der Innenseite für 500 Euro (vor ca 10 Jahren). Das Band hatte Salze aus meinem Schweiß nach 2 Wochen bereits an den Nähten durchdrungen. Sport hatte ich nicht mit dem Stück gemacht. Das war es dann bei mir mit Kaufmann.
Tja, Außendarstellung eines Firmenchefs und Kundenerfahrungen müssen nicht immer übereinstimmen. Ich wollte mir 2014 zur frisch erstandenen IWC Mark XII in Platin etwas besonders Gutes tun und habe mir beim Berliner Uhrenhändler meines Vertrauens ein (auch noch als besonders haltbar angepriesenes) passendes Cornelius Kaufmann-Lederband für flotte 226 Euro zugelegt. Ich hatte vorher und nachher kein Lederband mit schnellerem Verschleiß. Dies, das Desinteresse meines Uhrenhändlers („wir haben nur gute Erfahrungen mit Kaufmann!“) und die für mich indiskutable Art des Kaufmann-Service am Telefon haben dazu geführt, daß ich nach dieser Erfahrung in einem Punkt mit Herrn Kaufmann einer Meinung bin: Es ist gut möglich ist, ein Band ungesehen online zu kaufen, und zwar viel günstiger und sicher nicht schlechter als bei Kaufmann und beim Uhrenhändler. Meine Freundin freut sich, wenn sie es dann montieren darf, eine klassische win-win-Situation, wie man neudeutsch sagt und was nicht gefällt, geht eben zurück. Ich gebe zu, daß ich da empfindlich bin, aber minutenlange Vorträge eines „Premium-Anbieters“ am Telefon, der einem sehr verärgerten Kunden erklärt, daß der vorzeitige Verschleiß seines teuren Produkts völlig normal sei, um dann kurz vorm Gesprächsabbruch 50 Prozent Rabatt auf das nächste Kaufmann-Band anzubieten, „um den Kunden nicht zu verärgern“, brauche ich nicht!
Ich habe auch Uhren mit Leder-, bzw. Kautschukarmbändern.
Dennoch muss ich sagen, dass mir – speziell an meinen Rolex und Breitling-Uhren – das standardmäßige Edelstahlband (Oyster oder Milanaise) wesentlich besser gefällt.
I.Ü. brauchen sie aus hygienischen Gründen nicht dauernd ausgetauscht zu werden – Ultraschallbad reicht!
Gute Edelstahlbänder sind, wie wir alle aus einem Beitrag von dem Strohm wissen, gar nicht so einfach herzustellen. Und wenn man einmal ein Glied oder gar eine Schließe nachkaufen muss, dann erkennt man dies an den happigen Preisen. Und da sind die von Ihnen ins Treffen geführten unbestreitbaren Vorzüge wie Hygienefähigkeit, Langlebigkeit, ästhetische Kompatibilität und der locker lässige Sitz. Aber wenn ich dann meine geliebte GMT Master am Handgelenk von dem Typ, den ich überhaupt nicht leiden kann, in der bis auf jedes Bandschräubchen gleichen Ausführung sehe, dann freue ich mich über mein individuelles Lederband. Denn dadurch wird sie zum meiner und nur meiner.