Es ist jetzt…ungefähr…fast…gleich nach halb…

Die UNO+ Jubiläumsuhr von Klaus Botta: Was man in 30 Jahren so alles aus einem Zeiger machen kann.

Ein Tipp vorweg: Sollten Sie die Gelegenheit haben, Klaus Botta persönlich kennenzulernen, bringen Sie Zeit mit. Nicht in Form einer Uhr, davon gibt’s in seinem Design-Büro in Königstein genügend, sodass er sogar welche verkaufen muss.

Nehmen Sie sich Zeit, weil Sie schnell Selbige vergessen werden, wenn Sie mit Botta über Design und gute Formen generell und über Uhren und die notwendige Anzahl an Zeigern im Speziellen philosophieren.

Der studierte Physiker und Produktdesigner Botta gehört mit Mitte 50 zu der Designer-Generation der Weglasser und Redukteure. Klare Formensprache, Konzentration auf das Wesentliche, Verbannung von Chichi und Bling-Bling.

Als vor dreißig Jahren die Erste „UNO“ auf den Markt kam, wurden die Hitparaden von Modern Talking beherrscht, die Mattscheibe von Miami Vice und mein Kleiderschrank von Schulterpolstern und Muscle-Shirts (ohne Muscles). Teure Uhren waren mindestens bicolor, billige aus Plastik und deren Farbgebung so dezent wie Fliegerseide-Jogger.

Und was macht der Herr Botta? Das was man so tut, wenn man jung ist, viel Talent aber wenig Geld (Vermutung meinerseits) besitzt: Man lässt alles Unnötige weg. Dieser Idee fielen also Minuten- und Sekundenzeiger zum Opfer. So entstand die UNO, die erste Einzeigeruhr, die allerdings nicht den Namen des Erfinders auf dem Zifferblatt trug, sondern von einer Firma namens „Watchpeople“ adoptiert wurde und dort zum Bestseller heranwuchs. Deren Inhaber Manfred Brassler gründete später die Uhrenmarke…na, wer weiß es…richtig: Meistersinger, die am Trend des solitären Zeigers festhielten, im Produktdesign aber andere Wege ging. Seit 1999 hält Klaus Botta wieder die Nutzungsrechte an der UNO und vermarktet diese unter eigenem Label.

So, Schluss mit investigativem Journalismus, hin zur Jubi-UNO+, die ich gerade in Händen halte. Das Wichtigste vorweg: Auch im 31. Jahr ist ihr noch kein weiterer Zeiger gewachsen. Diese sind bei den Modellen DUO und TRES verbaut worden – und ich dachte immer, nur ICH wäre ein genialer Namensgeber. Dafür ist die UNO+ erwachsen geworden, im wahrsten Sinne des Wortes: 44mm mit minimaler Lünette sind am Arm schon einmal eine Ansage. Größe ist also eines der Dinge, die nicht weggelassen wurden.

Seit meinem ersten Zusammentreffen mit Klaus Botta, seinem kreativ-familiären Team und der UNO ist aber noch ein wenig was dazugekommen. Eine gute Portion Wertigkeit in der Anmutung und Haptik. Und nicht zu vergessen, die dadurch – meiner Meinung nach gerechtfertigte – Preiserhöhung des neu entwickelten Jubiläums-Modells. Für die Automatik-Version der ETA-angetriebenen UNO+ werden 1.490,- Euro online aufgerufen. Kostenlos dazu gibt’s eine (wenn noch vorhandene) Wunschseriennummer (auf dem Rotor) der auf 100 Stück limitierten Auflage.

Macht summa cum laude einen TpZI (Tausender pro Zeiger-Index) von 1,5. Zum Vergleich: Ein anderer Design-Klassiker, die NOMOS Tangente, kommt auf 0,88 und eine Speedmaster auf 0,71.

Was soll Ihnen dieser irrwitzige Vergleich zeigen? Nichts, außer dass ich mir den „TpZI“ patentieren lasse. Vergleichen wir also die UNO preislich mit einer von Herrn Brasslers Uhren. Die Serie 03 von Meistersinger, die ebenfalls von einem ETA 2824-2 bewegt wird, liegt bei 1.598,- an Leder, ist allerdings das preisliche Startsegment, wenn’s um Münsteraner Automatikuhren geht.

„Leder“ ist ein gutes Stichwort, denn was mir als Naturband-Freund besonders an der Botta gefällt ist das farblich perfekt angepasste Vintage-Band, das zu dem cleanen Gehäuse-Design einen wunderbaren Kontrast bildet und trotzdem passt wie A. auf E.

Auch beim Band zeigt sich des Designers Hang zur kompromisslosen Qualität, griff er doch bei der Auswahl ins Regal von „Kaufmann“ und nicht in den Wühltisch eines Billig-Asiaten. Mein Auge und mein Handgelenk danken es von ganzem Herzen. Alleine die Dornschließe hätte noch ein kleines Markenlogo aufgewertet. Wie ich Klaus Botta kenne, fängt er in diesem Moment bereits mit den Entwürfen dafür an.

Vor allem das Auge (oder beide) erfreut sich bereits vor dem „Unboxing“ der online geshoppten Uhr. Denn nicht nur seine Produkte haben Botta dutzendweise Design-Awards eingehandelt, auch die Homepage ist ein wunderbares Beispiel für durchdachte und funktionale Pixelanordnung.

Das Corporate Design der Website setzt sich in der Umverpackung fort und findet seinen Höhepunkt nach dem Öffnen des Paketes in der puristischen Uhrenbox, sanft gebettet auf schwarzen (!) Polsterlocken (oder wie das Zeugs heißt). Hach, so was liebe ich, ebenso das handsignierte Zertifikat. Vive le détail.

Zurück zur Uhr und den wenigen vorderseitig sichtbaren Bauteilen. Das Edelstahlgehäuse umschließt ein doppelseitig gewölbtes Saphierglas mit beidseitiger kratzfester Antireflexbeschichtung. Dieses nicht vorhanden scheinende Glas gibt den Blick frei auf „12 glanzgefräste Präzisionsappliken“ und das perlschwarze (wahlweise perlweiße) Zifferblatt. Da hat jemand ein nahezu philosophisches Verhältnis zu Form und Detail.

Das seitlich und rückwärtig abgeflachte Gehäuse lässt die Uhr bei einer Bauhöhe von 9,3mm sehr schlank erscheinen und erhöht den Tragekomfort. Form follows Function – mit einer kleinen, vielleicht zu kleinen Ausnahme: der Krone. Die lässt sich zwar aufgrund der Gehäuseform wunderbar ziehen, aber recht schwergängig drehen. Kleiner Umfang + schwerer Gang = Aua am Finger. Aber auch dafür wird es bestimmt eine Lösung geben.

Um ein technisches Detail drücken sich alle Einzeiger-Horologen geschickt herum: Um das visuell-messbare Gangverhalten. Denn ohne Sekunden- und Minutenzeiger läuft jede Uhr im hypothetischen Chronometerbereich. Doch das ist wohl das Letzte, was eine/n echte/n Einzeiger/in interessiert. Dabei verspricht Botta eine aufwendige Feinregulierung auf höchste Ganggenauigkeit.

Diese Uhr ist in allererster Linie ein Design-Objekt am Handgelenk. Kompromisslos in der Gestaltung wie kein anderes Modell auf dem Markt und technisch auf sehr hohem Klassen-Niveau. Dadurch läuft die UNO+ in keiner Sekunde Gefahr (wie auch, ohne entsprechenden Zeiger) in den „Design-Spielzeug“-Bereich abzudriften.

Eine solche Uhr ist wohl selten „die Einzige im Besitz“, wohl eher eine interessante Erweiterung der Sammlung eines Design-Liebhabers. Für genau die Momente, bei denen es nicht auf die Minute ankommt.

Und obwohl ich mit der Work-Live-Ballance Floskel der „Entschleunigung“ nix anfangen kann (heißt bei mir Faulheit), und auch bei nur einem Zeiger die Stunde rund 60 Minuten dauert – etwas Meditatives hat er schon, der Blick auf ein fast leeres Zifferblatt um genau…fast…ziemlich nach halb Uhr.

 

 

 

1 Comment

  1. stefantunkel sagt:

    Schön geschrieben!

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