Zurück in die Zukunft – die Siebziger in/aus Glashütte.

Wohl selten kommt der Spruch „Früher war alles besser“ so falsch daher wie bei dieser wunderbaren „Seventies“ aus dem Hause Glashütte Original. „Panoramadatum“ heißt das tolle Stück, das mich bereits beim ersten Kennenlernen begeistert hat.

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Spekuliert hatte ich seit Langem auf eine „Sixties“ aus gleichem Hause und gleichem Dorf. Weil ich Retro mag und meine Kindheit in beiden genannten Jahrzehnten verbracht habe. Doch ein Tausch unter Sammlern brachte diese blau-strahlende Schönheit zu mir, die mich mit den großen Augen des Datumsfensters anlächelte.

„Der Geist der Siebziger“

„Die weichen Kurven des stromlinienförmigen Stahlgehäuses reflektieren den Geist dieses Jahrzehnts auf eigenwillige Art und Weise.“ So schreibt es die sächsische Manufaktur im Internetz. Der Vollständigkeit halber schnell noch den restlichen Erklärungstext hinterher:

„Das blaue Zifferblatt weist eine dezent gehaltene Schattierung auf, die von einem hellen Zentrum zu einem dunkleren Rand übergeht. Das Panoramadatum von Glashütte Original präsentiert sich stolz auf der 6-Uhr-Position und wird von aufgesetzten Appliquen am äußeren Rand des Zifferblattes eingerahmt. Die Zeiger in Weißgold sind für bessere Ablesbarkeit mit Super-LumiNova-Masse ausgestattet.“

Den Geist der Siebziger reflektiert dieses Modell also. Ganz ehrlich: Das hoffe ich nicht. Denn mit den beschriebenen Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts hat diese Uhr maximal den Schriftzug gemein. Sellemols hieß der volkseigene Laden „Glashütter Uhrenbetriebe“ und bastelte Quarzwerke in Damenuhren. 1978 brachten die deutsch-demokratischen Uhrmachermeister die „Spezichron“ auf den heimischen Markt, die erstmals eine Anzeige für Wochentag und Datum und einen kugelgelagerten Rotor besaß. Optisch würde ich sie als mögliche Design-Vorlage für die aktuelle Seventies bezeichnen.

Die Spezichron wird nach fast 40 Jahren und in gutem Zustand zwischen 250,- und 500,- Euro gehandelt. Für das „Nachfolgemodell“ gilt der alte Wechselkurs „DM = €“ leider nicht. Für eine Seventies Panoramadatum am Leder rufen die Glashütter 8.500,- Euro auf, am Stahl sind es nochmal 1.200,- Euro mehr. Der Chronograf beginnt bei ledrigen 12.500,- und endet bei stählernen 13.700,- Euro.

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„Die Seventies ist für das Stahlband geboren“

Lassen wir mal die Frage außen vor, ob ein Stahlband einen Aufpreis von 1.2k rechtfertigt. Fragen wir uns lieber, ob diese Uhr zu Recht im oberen Preissegment mitspielt oder doch vielleicht ein „falscher Siebziger“ ist. Ich beantworte dies mit dem fach- und sachlichen Kommentar eines Ihnen sehr gut bekannten Uhren-Bloggers (ich rede von mir), der seinen ersten Eindruck in die Worte goss: „Scheiße – wie geil!“

Wie wahr, diese Uhr begeistert ab dem ersten Moment. Und zwar speziell mich in einer ungewöhnlichen Weise. Ich bin bekennender Leder-Fetischist, wenn es um Uhrenbänder geht. Doch diese Uhr kann mich nur am Stahlband begeistern. Wobei die Qualität aller Bänder sehr gut ist. Mehr als jede Rolex Sporty, jeder Ingenieur aus dem Hause IWC oder jede ältere Omega Seamaster – die Seventies wurde für und am integrierten Stahlband geboren. Und glauben Sie mir, ich habe sie an Kautschuk (na ja) und an Reptil (das geht schon eher) getragen. Sie aber dann schnell wieder ans Eisen gelegt.

Seltsamerweise spricht mich auch die Chronoversion weniger an als das einsame Panoramadatum – das diesen Namen auf Grund der selbstbewussten Dimension wirklich verdient. Hier weiß jeder auf den ersten Blick, welchen Tag es geschlagen hat. Der potentielle Kunde hat die Wahl zwischen drei Blatt-Varianten: Galvanisiertes Ruthenium (grau), galvanisiertes Silber oder das hier gezeigte Blau. Mein Favorit? Raten Sie mal.

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Das 40mm breite Gehäuse (das durch die rechteckige Form größer wirkt) bietet dem Sonnenschliff auf dem Zifferblatt reichlich Gelegenheit zu glänzen. Und genau das ist es, was diese Uhr ausmacht. Ein perfekt verarbeitetes Blatt und damit eine sensationelle Wirkung am Handgelenk. Dass ein graues oder silbernes Ziffernblatt diesen Effekt nicht erzielen kann, liegt auf der Hand – oder am Arm.

Im Herzen der Seventies Panoramadatum schlägt das manufaktureigene Automatikwerk 39-47. Klar erkennbar durch den gewölbten Saphirglasboden, ist dieses fein finissierte Kaliber mit allen typischen Glashütter Merkmalen versehen und zeugt von der reichen Uhrmacherkunst des abgeschiedenen Dörfchens.

Doch was braucht der Nicht-Techniker wie ich es bin einen Glasboden mit Blick auf das Räderwerk, wenn es auf der Vorderseite blitzt und strahlt. Die Frage, ob man „knapp fünfstellig“ für eine Seventies ausgeben möchte muss jeder für sich selbst beantworten.

Ich möchte nur warnen: Wer sie erst einmal ans Handgelenk legt, dem kann der Sonnenschliff schnell das Hirn und den Kontostand verblitzen…mit jeder Menge Spaß dabei.

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5 Comments

  1. Bob sagt:

    Zum Vergleich : Eine PP 5711 wiegt dezente 111 Gramm 😉

  2. Bob sagt:

    Mit dem hübschen Stahlband ist sie leider 186 gramm schwer…..das ist eindeutig zu viel.

  3. Eckart Rohde sagt:

    Hallo Herr Strohm, schöne Uhr, schöner Bericht! Ihre Vorliebe für das Stahlband kann ich nur teilen. Wenn man bedenkt dass bei der vorletzten IWC Ingenieur das Stahlband gut die Hälfte des Gesamtpreises in Höhe von 6k ausmacht, finde ich die knapp 2k für das GO Seventies Band mehr als angemessen. Dabei ist noch die komfortable Feinverstellung am Handgelenk zu erwähnen, die weder die Ingenieur, noch die Royal Oak oder die Nautilus haben. Wie groß ist Ihr Handgelenk? Meins ist 195 mm, daß passt die Größe ideal. Ich selbst habe letzte Woche die weiße probiert, die stand und gefiel mir auf Anhieb. Erinnert etwas an eine Seiko aus den Siebzigern. Durch die Gehäuseform und die Größe wirkt selbst die weiße nicht konservativ, etwas mehr Understatement als die blaue. Nach dem lesen Ihres Berichtes schaue ich mir jetzt aber gerne auch mal die blaue an 🙂

  4. Christian sagt:

    Eine traumhafte Uhr die mir aber am Kautschuk am Besten gefällt.

  5. THE LLIGHT sagt:

    Man merkt dem Verfasser die Begeisterung über das edle Stück an! Ich habe die Uhr auch schon einige Male in der Hand gehabt; leider bleibt dieser Traum wohl unerfüllbar.

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