Uhrentest: MeisterSinger Adhaesio AD 908

MeisterSinger (man beachte das versale S) ist nicht nur die sparsamste Uhrenmarke – sie hat beschlossen, dass mehr als ein Zeiger nicht zum Ablesen der Zeit benötigt wird. Die Münsteraner bringen auch den gewissen AHA-Effekt ins Auspacken und Aufbewahren Ihrer Uhren. Aber dazu gleich noch ein paar Worte.

Lassen wir wie immer den Hersteller selbst zu Wort kommen:
MeisterSinger, Spezialist für Einzeigeruhren, hat mit der Adhaesio einen Dual-Timer entwickelt, der ganz den ästhetischen Prinzipien des Hauses und der souveränen Zeitwahrnehmung seiner Kunden folgt. Seit Jahren entwickelt das Unternehmen immer wieder Zeitmesser mit zusätzlichen Funktionen und hat dabei technisch wie gestalterisch ungewöhnliche Wege gefunden, um dem Wesen seiner Einzeigeruhren zu entsprechen. Auch die Adhaesio ist in Konzept und Aesthetik eine typische MeisterSinger.
Ein einzelner, nadelspitzer Stundenzeiger zeigt auf fünf Minuten genau die Uhrzeit am Aufenthaltsort ihres Trägers. Über dem MeisterSinger-Logo weist ein Pfeil die zweite Ortszeit auf einem 24-Stunden-Ring, der langsam im Uhrzeigersinn rotiert.

Getrennt werden beide Zeitanzeigen durch einen zweiten Ring: Er zeigt das Tagesdatum und bewegt sich gegenläufig. Übersichtlich bleibt die Anzeige schon wegen der sorgfältig gewählten Typographie: Tageszeit und Datum bilden eine Einheit, die zweite Zonenzeit setzt sich deutlich ab Beide Ringe liegen etwas tiefer als der Rand und das Zentrum des Zifferblatts. Damit steht – charakteristisch für MeisterSinger – die Stunde optisch im Vordergrund.

Die Adhaesio wird von einem Schweizer Automatikwerk angetrieben, dem ETA 2893. Orts- und zweite Zonenzeit sowie das Datum lassen sich bequem über die Krone einstellen.
Ihr Edelstahlgehäuse ist mit 43 Millimetern Durchmesser. Ihrem Träger zeigt sie zugleich zwei Zeiten, die ihm wichtig sind – oder erinnert ihn immer wieder an einen Ort, an dem er hängt.

Da liegt wohl schon ein Hinweis auf die Bedeutung der leicht sperrigen Produktnamen, die Manfred Brassler, Gründer und Designer des Hauses zu lieben scheint:

„Adhaesio“ ist lateinisch und bedeutet „die Anhaftung“. Ein intellektueller Anspruch, der auch bei Namen wie „Pangaea“, „Perigraph“ oder „Circularis“ – und letztendlich auch beim Ablesen der Zeit an den Besitzer erhoben wird. Für die einfachen Namens-Gemüter: Die Klassiker heißen immer noch 01, 02, 03…

Der erste Eindruck
Literarisch geht es weiter, denn: Die Uhrenbox ist ein Uhrenbuch. Anders als beim alten Edgar Wallace verbirgt sich zwischen den Buchdeckeln nicht etwas der Mini-Colt der Schlossherrin, sondern die Uhr des Herrn Brassler. „Unboxing“ mal anders. Und die Augen weiten sich noch einmal vor Überraschung, wenn dem Buch ein Rahmen entspringt (na ja, rausnehmen müssen Sie ihn schon selbst). Im magnetische verschlossenen Rahmen „haftet“ (nomen est omen) die MeisterSinger zwischen zwei durchsichtigen Folien.

So kann das neue Schmuckstück als „Anschauungsobjekt“ der Wohnlandschaft beigefügt werden. Zugegeben: Es ist ein Gimmick – aber ein wohlüberlegter, der sich ein wenig spleenig von den alltäglichen Holzboxen im Format einer Einbauküche abhebt.

Kommen wir zur Ablesbarkeit:
Die Findbarkeit des einzigen Zeigers ist mangels Konkurrenz auf dem Zifferblatt hervorragend. Das Weiß hebt sich gut vom blauen Sonnenschliff ab. Punkt. Sprechen wir von der Ablesbarkeit der Zeit, so ist diese halt nun mal so, wie sie halt bei einem Zeiger ist: Pi mal Daumen. Aber wer sich eine MeisterSinger ans Handgelenk bindet, der findet den Sekunden-Fetischismus genau so lächerlich, wie die Diskussion um das Kofferraum-Volumen eines italienischen Sportwagen-Cabrios.

Fast idiotensicher kommt da schon die zweite Zeitzone und das Tages-Datum daher. Gut erkennbar „bei der Zwölf“. Eine typische MeisterSinger Zeitangabe lautet also: „Es ist ungefähr fünf vor, am 13. August und in Tokio ist es gleich 14:00 Uhr.“

Zifferblatt:
Die hier gezeigte Version heißt „Sonnenschliff blau“ und ist ähnlich wie die drei weiteren Varianten: schön. Das ist vom Design her wirklich gut gemacht. Die große Stärke bei den Uhren aus Münster. Dem Minus der genauen Zeiterfassung steht das Plus an Geschmackssicherheit gegenüber. Die Uhr ist in ihrer Zweifarbigkeit wirklich ein Hingucker. Ein einziger Zeiger aber ein viergeteiltes Zifferblatt – das hat was.

Gehäuse und Tragekomfort.
43mm breit und 13,1mm hoch – das sind heutzutage Standard-Abmessungen, die eine gute Tragbarkeit garantieren. So auch im Fall der Adhaesio. Nichts scheuert oder schneidet, die Verarbeitung des Gehäuses ist sehr hochwertig. Die Rückseite bietet freien Blick auf das modifizierte ETA 2892-2. Jetzt nix besonders Aufregendes, aber nice to have.

Band und Schließe:
Passend zum Blatt ein blau-graues Band mit Kroko-Prägung, verbunden durch eine Faltschließe. Qualitativ alles im hochwertigen Bereich. Das gepolsterte Band muss eingetragen werden und das Handgelenk sollte einen faltschließen-optimierten Durchmesser haben. Was ich damit meine? Bei allen Faltschließen hängt der Tragekomfort sehr stark davon ab, wie kurz oder lang das Band getragen wird, also an welcher Stelle des Handgelenkes die Schließe anliegt. Adipöse Unterarme sind da klar im Vorteil. Das hat jetzt nichts mit DIESER Uhr zu tun, ich wollte es halt nur mal anmerken.

Image-Faktor:
Eine individuelle Uhr für individuelle Träger. MeisterSinger fallen auf am Handgelenk. Und dafür sorgen nicht zuletzt die Träger, die bei der Frage nach der Uhrzeit gerne auch mal das gute Stück präsentieren und ausgiebig die Funktion des einzigen Zeigers und die Namensgebung der Uhr erläutern.

Werthaltigkeit:
Da die Uhr keine Massenware ist und wird, braucht sie eine kleine aber treue Fangemeinde. Um so mehr im Preissegment von knapp zweieinhalbtausend Euro. Der potentielle Käufer muss sich gleich zwei mal entscheiden: Für einen einzigen Zeiger und für eine nicht geringfügige Ausgabe. Meine Erfahrung im Shop sagt mir, dass der Wertverlust einer getragenen MeisterSinger auch in sehr gutem Zustand nicht unerheblich ist. Aber mit der immer eigenständiger werdenden Modell-Palette und der sehr attraktiven Optik wird sich auch das zum Positiven wenden.

Wer trägt sie?
Menschen, die zeigen möchten: Es kommt mir nicht auf die Sekunde an. Ich lasse mich nicht zum Sklaven der Zeit machen. Sagen wir es mal anders: Die Uhr ist mindestens so viel Schmuckstück wie Minutenzähler. Sie hat einen hohen Wiedererkennungswert und ist wohl eher an kreativen und freiberuflichen Handgelenken zuhause.

Man trägt sie zu …
… seinem ganz eigenen Style. Modebewusst, stilorientiert, gerne auch mal extrovertiert. Die Uhr ist ganz klar ein wichtiger Teil des Outfits, der sich auch gerne zeigen möchte – unter dem schwarzen Werber-Rolli oder dem hochgekrempelten Designer-Hemd.

Fazit:
Die MeisterSinger „Adhaesio“ ist ein Statement, das seine Zielgruppe sehr genau kennt. Sie will gezeigt werden, am Arm wie im Rahmen. Und sie mag es nicht „Zweit-Uhr“ zu sein – dafür ist sie zu „intellektuell“. Im stimmigen Gesamtpaket steckt jede Menge Philosophie und Anspruch. Von der Namensgebung, über die Verpackung bis zum Zeit-Konzept. Der Träger muss sich drauf einlassen, um sich an sie zu gewöhnen. Dann hat er aber eine Freundin fürs Leben gefunden, die ihm ziemlich lange „anhaftet“.

Schöne Uhr – schöne Bilder:

Mehr nützliche Uhrentipps finden Sie in meinem Buch „Armbanduhren-sammeln“

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