Wir müssen mal über Luxus reden.                  

Der Mensch ist von Luxus umgeben. Ich im Besonderen, da sich mein berufliches Leben um Uhren der feineren Sorte dreht. Als ich heute Morgen in meinem gekachelten Lesezimmer (ich bin der König der Synonyme) auf die Zeitschriftenablage schaute, erblickte ich Titel, die sich die Themen Lifestyle und Luxus (obwohl beides nichts miteinander zu tun hat) auf die Fahnen und die Cover geschrieben haben.
Den begrenzten Platz zwischen Zahn- und Feuchtigkeitscreme teilen sich Druckerzeugnisse wie „GQ“, die letzte verbliebene Mode-Postille aka „Stil-Magazin“ und die deutsche Ausgabe des „Robb Report“ (Luxury without Compromise). Darunter liegt der „materialist“, das Magazin, das bereits im Namen keinen Zweifel über den Inhalt aufkommen lässt – und für das ich regelmäßig zum Thema Uhren schreibe.

„Luxus“ ist für den Deutschen ein schwieriges Thema, kommt er doch meist mit seinem kleinen hässlichen Bruder dem „Neid“ daher. Und beruflich mit Luxus zu tun zu haben ist so ganz das Gegenteil einer produktiven und anerkannten Arbeit wie Schreiner oder Krankenschwester. Ich muss immer wieder überlegen, wenn mich un- oder nur kurzbekannte Menschen nach meinem Beruf fragen. „Was mit Uhren“ provoziert zu Recht Nachfragen. Und so bleibt nur: „Ich handele mit XXXX Uhren.“ Der Platzhalter XXXX wird je nach Gegenüber ersetzt durch die Attribute: gebraucht, hochwertig oder Luxus. Doch ist Letzteres bei dem Segment über das ich schreibe und mit dem ich handele eigentlich passend? Wo fängt Luxus an, wo hört er auf – wenn überhaupt – und was kommt danach?

Ich bemühe also die Besserwisserin Vicky Pedia, die mir erklärt:
Luxus(von lateinisch luxus ‚Verschwendung‘, ‚Liederlichkeit‘, eigentlich ‚üppige Fruchtbarkeit‘) bezeichnet Verhaltensweisen, Aufwendungen oder Ausstattungen, welche über das übliche Maß (den üblichen Lebensstandard) hinausgehen bzw. über das in einer Gesellschaft als notwendig oder sinnvoll erachtete Maß. Luxus fasst damit Phänomene zusammen, die für einen großen Teil der Bezugsgruppe als erstrebenswert gelten. Deshalb ist ihr Tauschwert oft erheblich, das heißt der Preis für ihren Erwerb hoch und deshalb sind Luxusgüter meist nur auf der Grundlage einer entsprechenden Ausstattung mit Macht oder Reichtum zu erwerben.

Weg vom allgemeinen Luxus – hin zu dem, den wir am Handgelenk tragen. In mehreren Umfragen habe ich meine Leser, aber auch Aktivisten der Uhrenindustrie wie Hersteller, Händler und Sammler gefragt, wann eine Uhr denn den Vornamen Luxus tragen darf. Und siehe da: Die finanzielle Benchmark reicht von 3.000,- bis 10.000,- Euro. Ein Juwelier befand einen Zeitmesser erst ab 20.000,- Euro als luxuriös, was wohl seinem Warenangebot und seiner Kundschaft geschuldet ist.

Die Speedy: Schon Luxus oder noch stählerne Tool-Watch?

Begibt man sich vor die Schaufenster oder in die „Uhrenabteilung“ der großen Kaufhäuser, verschieben sich die Grenzen. Stellvertretend dafür nur ein Satz, denn ich an eben diesem Ort aufschnappte.

Vitrinenbeschauerin 1: „Wie kann man für eine BOSS-Uhr nur 345,- Euro ausgeben?“

Vitrinenbeschauerin 2: „Aber echt, da muss man ja völlig bekloppt sein!“

Ich kann Ihre Gedanken lesen: „Der/ die muss wirklich bekloppt sein, für so einen Billig-Quarzer dreieinhalb Hunderter auszugeben.“ Dabei meine Vitrinenbeschauerin 2 wohl eher, dass nur wenige für eine solche absolute Luxusuhr (BOSS!!!) die genannte Unsumme ausgeben können. Und Recht hat Sie, wenn wir die Definition des Luxus genau nehmen.

Dazu noch ein paar Zahlen:

  • Ein Viertel der Deutschen/innen besitzen oder tragen nie eine Uhr am Handgelenk.
  • Kaufen sie eine Armbanduhr geben 52% weniger als 100,- Euro aus und nur 18% mehr als 200,- Euro.
  • Der Umsatz in Deutschland beim Verkauf von Uhren lag im letzten Jahr bei 1,25 Milliarden Euro – jeder Deutsche gibt im Jahr also rund 16,- Euro für eine Uhr aus – Batterien eingeschlossen.
  • Der Pro-Kopf-Umsatz an Schmuck beträgt das Vierfache!

Aha, so sieht also der reale Uhren-Luxus in Deutschland aus. Da wird dann die „Daniel Wellington“ schnell mal zum Statussymbol. Wie kann das sein, da wir doch gefühlt an jedem zweiten Handgelenk eine Speedy oder eine Submariner erkennen. Es kann, denn nur WIR (die Uhrenverrückten) erkennen (kommt von kennen) diesen Armschmuck, wir sind sozusagen drauf geeicht. Wie der Rotweinliebhaber, der im Gegensatz zu Lothar Lambrusco im feinen Tropfen noch den erdingen Abgang des Schiefermolsches rausschmecken kann.
Und schon sind wir bei Rolex. Keine Luxusdiskussion ohne die Krone aus der Schweiz. Aber gehört sie mit einem Einstiegspreis von 6-8k eigentlich ins Luxussegment? Der bereits erwähnte Juwelier würde dies verneinen. Für ihn wäre Rolex mit einem jährlichen Ausstoß von über einer Millionen Uhren ein Massenhersteller.
Die meisten Rolexbesitzer werden jegliche Protz-Attitude weit von sich weisen. Bei dem Werterhalt und -zuwachs dieser wunderbaren Uhr ist wohl eher von Weisheit und kluger Anlagestrategie als von Angeberei zu sprechen. Da stört es auch nicht, dass die Submariner in südlichen Ländern als „Oberkellneruhr“ belächelt wird.

„Wer Rolex trägt nimmt auch Trinkgeld“ pflegte ein Freund zu sagen

„Luxus muss man sich leisten können“ sagte einmal ein Kunde zu mir. Ich finde, er hatte nicht recht. Denn kann ich es mir leisten, ist es kein Luxus mehr. Das ist es, wenn ich es mir eigentlich nicht leisten kann. Wie Vicky schon sagte, Luxus muss „über den üblichen Lebensstandard hinausgehen“ – er muss dem Konto schon ein wenig Aua bereiten. Und natürlich hat Luxus für mich immer etwas mit Zeigen und Zurschaustellen zu tun. Mein Picasso im Tresor ist Spleen, nicht Luxus.
Aus diesem Grunde lieben Orientalen wie Rapper Geschmeide aus Gelbgold. Es muss Bling-Bling machen – über der Klamotte, strahlend im Sonnenschein. Oder wie ein türkischer Freund sagte: „Uhren aus Weißgold sind wie Fake, könnte ja auch Silber sein“. Das ist schon irgendwie der wahre Luxus (und Altersversorgung): fünf Kilo güldene Panzerkette, die „Hüblooh Big Bäng“ und drauf sch…, was der Nachbar sagt.

Bleibt noch die Frage, ob Luxus in der heutigen Zeit überhaupt noch politisch korrekt sein kann. Ein Luxus, der nur einer absoluten Minderheit zugutekommt. Ich glaube, genau da liegt der Denkfehler: Sehr wenige leben IM Luxus, aber viele leben VOM Luxus. Schauen wir doch nicht voll Neid auf die Handvoll Megareichen, die auf flugzeugträgergroßen Yachten um die Welt schippern. Sondern – wie die Schweizer – voller Stolz auf die über 100.000 Arbeitsplätze, die alleine die Uhrenindustrie samt direktem Umfeld dem Bergvolk bescheren. Der weltgrößte Luxuskonzern LVMH (der eigenartigerweise in Worten „Moët Hennessy – Louis Vuitton“ heißt) bringt 130.000 Menschen in Lohn und Brot. Man schätzt, dass in Europa ca. 1,7 Millionen Arbeitnehmer/innen in der Luxusbranche beschäftigt sind.
Wohl nicht alle Luxusgüterhersteller sind reine Menschenfreunde, aber die Arbeitsbedingungen bei Rolex werden sich wohltuend von denen der Fake-Fabriken in China abheben.

Mein ganz persönliches Fazit: Luxus hat weder etwas mit Protz noch mit Geld zu tun, weder mit reich noch mit schön. Aber auch nicht immer etwas mit Wert oder Qualität. Nicht der Zeitmesser, sondern die Zeit selbst, die man für das investiert, was einem wichtig ist – und sei es nur für genau diese Zeitmesser.

Und letztendlich ist der wirkliche Luxus, den man sich erlauben sollte, einen eigenen Stil zu haben, jenseits der Statussymbole. Egal ob mit oder ohne Uhr.

7 Comments

  1. Thomas H. sagt:

    Zu dem Einleitungssatz :
    “ „Luxus“ ist für den Deutschen ein schwieriges Thema, kommt er doch meist mit seinem kleinen hässlichen Bruder dem „Neid“ daher. “
    fällt mir folgendes ein :
    “ Neid muss man sich verdienen – Mitleid bekommt man umsonst. „

  2. Rene sagt:

    Schafherde? Sie machen sich lustig über Leute, bei denen „muss dem Konto schon ein wenig Aua bereiten“ nun mal bei 5000-9000 Euro anfängt? Aber den Kaffee darf Ihnen diese Schafherde gern an den Tisch bringen. Man sieht: man kann auch ein Prolet sein, wenn man eine Uhr > 20k am Arm hat. Man ist dann aber wenigstens ein exklusiver Prolet. Immerhin das.

  3. Tom sagt:

    Für mich ist das entscheidende Kennzeichen von Luxus Exklusivität. Etwas besonderes, außergewöhnliches, das nicht jeder hat.

    Eine Uhr des größten schweizer Herstellers ist kein Luxus, sondern nur ein einfaches Massenprodukt, das jedes Jahr über eine Millionen Mal vom Band fällt. Ein Allerweltsuhr, die man jeden Tag bei jeder Gelegenheit dutzende Male sieht. In manchen Kreisen liegt der Rolexanteil bei annähernd 100%.

    Ein Luxusobjekt kauft man, um sich von der Masse abzuheben, eine Rolex, um Teil der Schafherde zu sein.

    • J.H. sagt:

      Und die Schafherde ist sehr groß und wird immer größer. Die dummen Schafe geben auch noch mehr dafür aus als üblich verlangt wird…

  4. Peter sagt:

    Sehr schöner, reflektierender Eintrag der bei dem allgemein hohen Niveau der übrigen Einträge noch mal hervorsticht. Hat grosse Freude gemacht zu lesen! Vielleicht sollten mehr Beiträge ihren Ursprung im gekachelten Lesezimmer ihren Ursprung nehmen. Falls sie das nicht eh alle tun 😉 Luxus ist ’ne schöne Sache. Schöner noch wenn man sie entspannt angeht und weiss dass die Welt nicht untergeht, wenn man DIE Krone die alle haben auch mal nicht bekommt.
    Hier in der ach so reichen Schweiz, heisst die Submariner übrigens nur Kellner-Uhr. Ohne Ober.

    Und apropos Reflexion: Sollte die blitzende güldene GMT mal nicht mehr Luxus genug sein – meine Mail-Adresse haben Sie ja 😉

    • Christian sagt:

      Ich finde den Beruf des Kellners als durchaus ehrbar und sehe keinen Grund sich darüber lustig zu machen und diesem Berufstand die Freude an einer Uhr abzusprechen.
      Gilt im übrigen auch für alle anderen Berufe, wer Freude an schönen Uhren hat möge sie tragen und hat meinen Respekt.

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