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Der Härte-Test: „Discovery Blue“ von Astron (Sie wissen schon, die aus dem ADAC-Heft)

Nachdem ich in meinem kleinen Uhren-Blog schon Modelle so bekannter Marken wie Longines, Junghans, Montblanc oder Omega getestet habe, bin ich qualifiziert für die Königsklasse der Uhrenindustrie, vertreten durch die „Discovery Blue“ aus dem Hause Astron. Genauer gesagt aus dem Auktionshaus „Splendor-SA“ aus der Schweiz.

Sie kennen diese Uhr nicht? Dann sind Sie nicht Mitglied im ADAC, denn in dessen Zeitschrift gehen die Schweizer auf Kundenfang. Mittels ganzseitiger Anzeigen und vollmundiger Reklametexte. Die entnehmen Sie bitte persönlich dem Foto, ich möchte Sie hier nicht wiederholen, weil ich Angst habe, dass alleine das Abschreiben meine Gehirnzellen unwiderruflich schädigen kann. Und immer dran denken: „Im Interesse aller Kunden bitten wir Sie, nicht mehr als drei Uhren zu bestellen.“ In Ihrem Interesse rate ich Ihnen…naja, dazu komme ich später.

49,00 Euro ist der Testpreis statt des Originalpreises von 329,- der nach dem 15.Juli wieder für die Uhr verlangt wird.

Und da hätten wir schon die erste faustdicke LÜGE: Stand heute (16.08.) wird die Uhr immer noch für den Schnapper von 49,-€ verkauft. Hui, wenn das der Abmahnanwalt sieht…

„Sie dürfen die Uhr auf jeden Fall behalten“ – wer hätte das gedacht.

Ich gebe zu, ich ließ mich unter Druck setzen, was man auch an dem grobmotorischen Entfernen der Seite aus dem genannten Heft erkennen kann. Ich war im Testfieber und wollte auf jeden Fall eines der begehrten Stücke mein Eigen nennen. Schnell über die Zahlungsmodalitäten schlau gemacht: 49,- plus 7,60 Porto inkl. Versicherung. Zollkosten sind im Preis inbegriffen. Na dann!

Warum kein Zoll fällig wird? Aus der Splendor SA in Zürich wurde auf der Reise die Splendor SA in Lottstetten – und das liegt in heimischen, deutschen Landen. Sollte das Paket nicht zustellbar sein, geht es jedoch zurück an die Splendor SA, postlagernd in Gottmadingen. Ich bin verwirrt und das nicht zum letzten Mal.

Vorfreude ist die schönste Freude (später stellte sich heraus, auch die einzige) und so ward ich auch voller Dankbarkeit, als mich am 17.06 die Bestätigung per Mail erreichte. Vor allem als ich so erfuhr, dass es ein „hohes Bestellaufkommen“ gäbe und sich die Wartezeit verlängern könnte. Könnte ich diese Abstinenz ertragen? Trost kam in Form der Wiederholung der Gesamtsumme: 56,60 Euro – auf Splendor ist Verlass. Auch die Folgemail vom 28. Juni stimmte mich glücklich: „Der Rechnungsbetrag in Höhe von EUR 56,60 wird wie gewünscht per Nachnahme von Ihrem Postboten eingezogen. Halten Sie bitte nur diesen Betrag bitte bereit, zusätzliche Kosten oder Gebühren entstehen Ihnen nicht.“ Ein seriöser Handelspartner also, schfreumisch.

Knapp einen Monat später (Sie wissen: hohes Bestellaufkommen) klingelte endlich der Postmann, und ich rannte mit meinen exakt abgezählten 56,60 zur Türe hin, um mein Harterspartes gegen das Schweizer Zeiteisen zu tauschen. Doch welch ein Schock, der Postillion verlangte 58,00 Euronen von mir. Irrtum? Wegelagerei? Inflation? Die zweite Lüge? Ich lieh mir von meiner Frau 1,40 Euro und hielt endlich das wertvolle Paket in Händen – in Form eines braunen Kuverts. Aha…eine exklusive Chronographenverpackung hatte ich mir anders vorgestellt. Doch der Inhalt sollte mich entschädigen. Sollte – tat es aber nicht.

Ich mache es kurz: Umkarton, Box, Papiere, Uhr – ein so genanntes Fullset. Vor allem bei den Papieren fühlte ich mich auch direkt full verarscht. Eine postkartengroße und völlig sinnfreie (da nicht adressierte) „Rechnung“, die nicht einmal einen Betrag aufweist. Noch leicht getoppt von der „Bedienungsanleitung“, die durch mehrfache Jagd durch den Kopierer an Schwärze gewonnen, aber an Lesbarkeit verloren hatte.

Nun gut, ich will ja nicht unfair sein, ich bin für meine objektiven Tests bekannt. Also zu Schritt eins: Vergleich von bestellter Ware und geliefertem Produkt. Selbst der ambitioniert semi-professionelle Leser erkennt: Eine Ähnlichkeit zwischen Uhr und Abbildung ist vorhanden. Bei einem Fertigprodukt hätte der Hersteller „Serviervorschlag“ auf die Packung drucken müssen. Es ist eine Uhr, sie ist blau und – genau so hässlich wie die aus der Zeitung. Und trotzdem: Lüge Nummer 3. Denn nirgendwo in der Anzeige steht: „Abbildung ähnlich“ oder „Produkt kann optisch leicht abweichen“.

Vielleicht sagt jetzt der ein oder die andere: Was kann man denn für das Geld erwarten? Da antworte ich: Wenigstens nicht belogen zu werden.

Schritt zwei: der Praxistest

Vielleicht reißt die Astron ja alles wieder raus, wenn ich sie erst am Handgelenk habe…wenn. Also hurtig das Band um ein paar Glieder gekürzt, so wie ich es schon hundertfach getan habe – zur Angleichung an meine 18,5 cm (Armumfang!). Ich greife zum Stiftausdrücker und…verbiege mir den Dorn. Zugegeben, es ist nicht das absolute Profi-Gerät, war aber bisher noch bei jedem Armband erfolgreich – bis die Astron kam.

Band ab, Werkzeug kaputt, Laune im Keller. Ach ja, das geschulte Auge hat bereits erkannt, dass sich die bicolore Färbung des Armbandes auf der Rückseite nicht fortsetzt. Das war also mit der in der Anzeige erwähnten „Teilvergoldung“ gemeint.

Somit war die erste wirklich peinliche Phase des Tests eingeläutet. Der Gang des Herrn Strohm zur Uhrmachermeisterin seines Vertrauens. Mit der Bitte, das Band seines neuen „Schatzes“ professionell zu kürzen. Ich musste ihr versprechen, dass ich weder ihr geschocktes Gesicht zeige, noch ihren Namen erwähne, um ihn nicht in Zusammenhang mit dieser Uhr zu bringen. Ich werde mich dran halten, Frau Walker, versprochen. Auch ihre fachliche Meinung zu diesem „Dings“ tut hier nichts zur Sache – ich bin ja der Tester! Nur so viel: Sie möchte sich nicht auf Astron-Revisionen spezialisieren.

Das Herauslösen der Stifte im Band ist übrigens nur der erste Schritt des Auseinandernehmens. Dann merkt man nämlich, dass die einzelnen Glieder noch ineinander verhakt sind, also auf der Rückseite aufgebogen werden müssen. Und dementsprechend nach der Montage wieder zurückgebogen – das verspricht gesteigerten Tragekomfort.

Wo wie gerade davon reden: Was ist eigentlich drin im Gehäuse? Wie sieht es denn nun aus, das „Original Astron Präzisionsquarzwerk mit 5 Jahren Werksgarantie“? Also schnell mal den Deckel aufgeschraubt (Sie hören richtig – geschraubt, nicht gehebelt). Und siehe da, das „Original Astron“ ist irgendwie baugleich mit dem Miyota 6P00, vielleicht ist aber auch das eingestanzte „Japan“ ein Dorf in den Schweizer Bergen. Nett auch das gut lesbare „unadjusted“, was so gar nicht der Behauptung „Präszisionswerk“ entspricht. Ich lehne mich mal aus dem Fenster: Lüge Nr.4!

Nun aber an den Arm mit der Uhr und kräftig Knöpfen gedrückt. Und siehe da: Sie funktionieren. Also der eine, der obere. Er schaltet den Monat. Der untere ist sinnfrei oder für das optische Gleichgewicht, oder auch…Beschiss.

ABER: Keiner der kleinen Zeiger ist (wie eigentlich von mir erwartet) aufgemalt, sondern hat Gang und Funktion. Der Mond geht auf und unter, Datum und Wochentag schalten präzise um 00:00 Uhr zur einen Hälfte und um 04:00 Uhr zur anderen. Scheint die sogenannte „Astron-Zweisprung-Technologie“ zu sein. Aufregend.

Wie (er)trägt sich denn die „Discovery Blue“?

Schon nach wenigen Sekunden wird man mit einer vorab nicht erwähnten Zusatzfunktion der Uhr konfrontiert: Das Band hat eine eingebaute Epilier-Funktion und glättet den linken Arm alles andere als schmerzfrei im rückwärtigen Bereich des Armbandes. An Stelle der Haare wird durch die Uhr ein leichter grauer Schleier auf das Handgelenk gelegt, sobald Metall und Schweiß eine innige Freundschaft beginnen. Haarentfernung, Transpirationsfärbung und Maso-Appeal – und das alles für unter 60,- Euro. Respekt.

Ich könnte jetzt noch was über die Schließe in Coladosen-Weißblech-Qualität sagen, über die nicht drehbare Lünette oder das doch sehr an Breitling angelehnte Design. Aber haben wir was anderes erwartet? Nein. Daher lieber noch ein High-LIGHT: Ja, sie leuchtet!! Perle, Zeiger, Indizes strahlen in (wahrscheinlich radioaktivem) Glanze. Das ist doch mal was.

Was man abschließend sagen kann…

Bei all dem Grausamen gibt es auch schöne Moment mit der Astron – zum Beispiel wenn sie wieder im Kästlein liegt. Und dann tut sie einem fast leid. So wie ein armes, hässliches Kind, das ja eigentlich nix dafür kann. Für all das Böse, was einem die Eltern so mitgegeben haben. Natürlich ist sie überteuert, das wäre sie auch noch bei 9,90 Euro. Aber ihr kleines Quarzherz schlägt wacker und auch ziemlich präzise.

Als hässliches Entlein ist sie ungeliebt, man will sie nicht dabei haben, schon gar nicht am Arm. Man will sie auch nicht anschauen oder anfassen und schämt sich doch ein wenig dafür. Dabei sollten sich die schämen, die sie auf die Menschheit losgelassen haben. Und da wären wir beim eigentlichen Tiefpunkt dieses Uhrendeals: Eine solche Uhr mit Worten wie „Präzision“, „Exklusivität“ oder „Markenuhr“ einer Millionen-Leserschaft aufzuzwingen ist mehr als fahrlässig – es ist eine Frechheit.

Nein, eine Uhr muss nicht drei- oder vierstellig kosten. Die Discouter beweisen, dass ich eine passable und optisch ansprechende Quarzuhr auch für unter 20,- Euro bekommen kann. Eine Uhr, mit der ich mich nicht lächerlich mache, die nicht behauptet eine Eidgenossin zu sein. Die nicht in Schweinebauchanzeigen-Manier den Verbraucher desinformiert oder besser gesagt – verarscht und belügt.

Die Vermarktung ist ein wesentlich größeres Problem als die Uhr selbst. Punkt!

 Und um zu zeigen, dass ich auch hässliche Entlein mag, hab ich der Uhr ein paar schöne Bilder spendiert. Da sieht sie fast aus wie eine richtige… also, so wie fast eine…Uhr.

Haben Sie auch Erfahrung mit einer Uhr aus dem Hause Splendor gemacht? Dann bin ich auf Ihre Meinung gespannt. Unter allen Kommentatoren/innen und denen, die nur ihr Beileid ausdrücken möchten, verlose ich eine: „Discovery Blue“ von Astron. Sie haben richtig gehört. Ich schenke sie einem/ einer von Ihnen. Warum soll ich mir alleine verarscht vorkommen?

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