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„Danke Papa“ oder: Junghans Meister – der Infektionsherd, mit dem das Drama begann.

Für jeden von uns gab es wohl irgendwann einmal diesen einen Moment in grauen Vorzeit, der als Startpunkt der Sammelleidenschaft gelten kann. Sozusagen der Uhrknall mit dem alles (sinnvolle) Leben begann.

Mein Uhrknall – eine Meister.

Bei mir kam vor dem „ernsthaften“ Sammeln das An-Sammeln plastiküberzogener Zeitmesser aus dem Hause „Swatch“, mode-gelabelter Chronographen eines Herrn „S.Oliver“ und schön Retro gestylter Rechtecke von „Fossil“. In allen schlug ein Herz aus Quarz, was zu einem nicht unerheblichen Investitionsvolumen im Bereich Batterien führte. Genau die, die ich just zum leuchtend grünen Schulterpolster der Neunziger tragen wollte – genau die hatte gerade den digitalen Geist aufgegeben. Ich erinnere mich an Summen von bis zu 20,- DM (Deutsche Mark – für die Jüngeren unter uns) für eine Einzel-Wiederbelebung des mehr modischen als modernen Accessoires. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Insassen meiner Uhrenkiste noch nicht, dass sie (besser gesagt ich) ihren Meister gefunden hatten. Und dies ist wortwörtlich zu nehmen. Die Wende (die wirklich wichtige, also die in meinem Uhrensammlerleben) kam in Gestalt meines Vaters – und seiner Junghans Meister.

Mein alter Herr investierte in alte Weine und weniger in hochwertige Uhren. Mit einer Ausnahme: Als Banker und gleichzeitig als Italientourist konnte er das vermeintlich unschlagbare Angebot auf einem Parkplatz nahe des Brenners (schon auf südlicher Seite) nicht ausschlagen. Vater war bei der Sparkasse und kannte daher den Wert von Edelmetallen. Das Angebot einer „echte goldene“ Armbanduhr zum Schnäppchenpreis in Lira (italienische Mark – für die Jüngeren unter uns) konnte er daher wirklich nicht ablehnen. Weil der Bargeldtransfer ja auch für die Enkel des netten Sizilianers gedacht war. Die Reue kam Stunden später. Die Uhr, die große Ähnlichkeit mit der „Astron“ aus dem ADAC-Heft hatte, blieb.

Sei’s drum, die einzig wertvolle Uhr meines Vaters war eine Junghans Meister, die er nun, nach Erreichen des Pensionsalters, nicht mehr zu tragen pflegte. So ward sie zur vorzeitigen Erbmasse und dem Sohnemann in gute Hände und an gleichen Arm übergeben.

Aha, dachte der (also ich) sich, genau das, was meinen ESPRIT geschädigten Geschmacksnerven noch gefehlt hat. Und gehen tut sie auch nicht (das mit der Mechanik und dem Aufziehen lag ja noch vor mir). Trotzdem, irgendwie cool, so retro (Vintage gab’s damals noch nicht) – man sollte mal jemand fragen, der sich mit so was auskennt.

Uhrmacher? Was das denn?

Meine erste Mechanik brachte mich auch in Kontakt mit meinem ersten Uhrmacher. Eine Zunft, die mir damals vollkommen unbekannt war. Kannte ich doch nur die netten Damen, die vorne hinter der Theke (welch ein Satzbau) Quarzer verkauften. Von „Hinterzimmern“ mit alten belupten Männern und höhergelegten Werkbänken war gedanklich noch nicht die Rede.

Also hin zum Meister meines (damaligen) Vertrauens und ihm Papis Schmuckstück in die Hand gedrückt. „Sag an Gevatter, was gedenkt der Zeiten-Schmied zu tun“? Natürlich waren das nicht meine Worte, aber angesichts der mittelalterlichen Werkstätte hätte er sie wohl auch verstanden. „Da hat ihr Vater aber ein Gespür für Qualität gehabt, dass er nicht nur eine Junghans, sondern auch eine „Meister“ gekauft hat. Mein Hirn übersetzte: „Eine sensationelle Uhr, die einige Zehntausend D-Mark wert sein dürfte!!“ Ein Gespinst des Selben, wie sich Sekunden später herausstellte.

Er bot völlig uneigennützig an, die Uhr zu revidieren (hä??) und neu zu vergolden (aha!?). Da ich so erzogen wurde, älteren Menschen zu glauben und ihnen zu vertrauen (und einen Sitzplatz anzubieten – was mir allerdings in dieser Situation unsinnig erschien), willigte ich ein und investierte 260,- DM in mein Erbe.

Es hat sich gelohnt!

Erst viele gekaufte Uhren später erreichte eine der neuen Errungenschaften diesen Preis in der Anschaffung. Doch was soll ich sagen: Es hat sich gelohnt. Seit dem Zeitpunkt kenne ich den Unterschied zwischen Revidieren und Dividieren und trug die neugoldenen 35mm Durchmesser mit Stolz und verschiedensten Armbändern. Was danach kam ist Legende: Noch mehr Junghänse, Dugenas, BWCs, Kinzles und – die erste Omega. Eine Seamaster 30, mein Eintritt in die Welt der legendären Schweizer Uhrenmarken.

Alle sind wieder gegangen, nur eine ist geblieben: Die Junghans Meister, deren Kaliber 684 immer noch schlägt wie im Jahr ihrer Entstehung. Das übrigens fast deckungsgleich ist mit dem Meinigen. Einziger Unterschied zwischen uns beiden: Eine Revision alle paar Jahre und SIE ist wieder wie neu.

Bevor ich wieder Pipi im Auge habe, schnelle noch die Frage an Sie: Mit welcher Uhr hat das Drama bei Ihnen angefangen? Sehen Sie – Sie wissen’s noch ganz genau! 🙂

 

 

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