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Der ultimative GMT-Vergleichstest

Mein erster Uhren-Vergleichstest – und gleich solch ein Meilenstein. Die Leser von Herrn Strohms Uhrsachen wissen, dass ich auch mal dahin gehen muss, wo es wehtut. Um die Wahrheit zu sagen und um mit Vorurteilen aufzuräumen. Ausgesucht habe ich mir für diesen Kampf David gegen Goliath eine der beliebtesten Modellereihe der zeitgenössischen Uhrengeschichte – die GMT.

Gegeneinander antreten werden also: die GMT schlechthin, sozusagen die Uhrmutter der Greenwicher Zeitmessung, die „Steinhart GMT-Ocean 1 Blue Red“ gegen eine Hommage aus der Schweiz, die „GMT Master“ aus dem Hause Rolex. Deutschland gegen die Schweiz, Stadtbergen gegen Genf. Schauen wir, wie sich die beiden Uhren-Nationen schlagen.

In verschiedensten Kategorien werde ich jeweils einen direkten Vergleichspunkt vergeben. Wer die meisten Punkte gesammelt hat, der ist Sieger. Fairer kann man einen Uhrentest nicht gestalten.

Erster Eindruck

Es ist mehr als offensichtlich, dass die Schweizer hier bei den Deutschen abgeschaut haben. Hommage nennt man so was. Kann man mögen, muss man aber nicht. Wenn man es sich erlauben kann, sollte man wirklich zum deutschen Original greifen.

Schwarzes Zifferblatt, zweifarbige Lünette, Stunde, Minute, Sekunde. Beide Hersteller haben an alles gedacht. Beiden scheint aber auch das Datum nicht so wichtig zu sein, denn durch die Glas-Warze lässt sich die Zahl seitlich kaum ablesen. Keiner weiß, was das soll… Generell wirkt die Steinhart moderner und frischer. Auf dem Zifferblatt befinden sich im unteren Teil vier Schriftzeilen, bei Rolex nur drei, die wiederum kommt uns mit „Superlativ Chronometer“ daher – welch eine Angeberei! Punktabzug. Erste Wertung:

1:0 für Deutschland

Werk

Während Steinhart mit einem Qualitätswerk der Marke ETA aufwarten kann (ein 2893-2) tickt in der Rolex irgend ein Eigenbau. Genaues kann ich nicht dazu sagen, denn es gelang mir mit dem Deckelheber nicht, das Gehäuse zu öffnen. Weil uhrmacherische Qualität belohnt werden muss, bleibt der Punkt in Deutschland:

2:0 für Deutschland

Gewicht

Ab mit beiden Uhren auf die Waage und schon bestätigt sich mein erster Eindruck. Bei der Steinhart gibt’s richtig viel Uhr für’s Geld. Genau 178 gr für 490,- Euro. Das machte 2,75 Euro pro Gramm. Wer glaubt, das wäre viel Geld, dem bleibt bei der Rolex die Luft weg: Das Leichtgewicht bringt nur ganze 118 gr auf die Waage, möchte sich die aber mit ca. 6.500,- Euro bezahlen lassen. Macht 55,08 Euro pro Gramm – das über 20fache der deutschen Vertreterin. Da meint Holger die Waldfee:

3:0 für Deutschland

Schließe

Hier sprechen die Bilder eigentlich schon Bände. Massiv und stabil auf der einen Seite gegen klapprig und blechern auf der anderen. Nach dem Öffnen beider Faltschließen wird der Qualitätsunterschied noch deutlicher: Massive Bügel bei Steinhart, einfaches Blech bei Rolex. Bei der Schweizerin reißt da auch das „Pseudo-Gliedermuster“ und die Kronen-Prägung der Schieße nichts mehr raus. Eindeutige Wertung:

4:0 für Deutschland

Das Band

Ein Edelstahlband soll beide Uhren fest an den Männerarm binden. Da habe ich beim Schweizer Blech so meine Bedenken. Die Steinhart bietet 22/20 mm auf, gut verschraubt und für die Ewigkeit. Rolex hingegen begnügt sich mit einem Band der Maße 20/15 mm, das auch nach gerade mal 15 Jahren schon nicht unerheblichen Stretch aufweist. Vom recht preiswerten Klappern ganz abgesehen. Wertung auch hier:

5:0 für Deutschland

Rückseite

Ein schöner Rücken kann auch entzücken. Doch leider nur bei einer der beiden Testuhren. Die Steinhart wird durch eine wunderbare Bodengravur aufgewertet. Wagenlenker und Seepferd – was passt besser zu einer hochwertigen Taucheruhr? Und dazu die formschönen und funktional optimierten Greiferösen für den Boden-Öffner – das nenn ich durchdacht. Kann die Rolex auch nur mit einem dieser Details aufwarten? Nein. Ein paar Streifen und Riffel, das war’s. Dazu hat man die Rückseite der Bandanschlüsse noch mit sinnlosen Zahlen verschandelt. Eine Enttäuschung für die, die auch mal hinter die Kulissen schauen.

6:0 für Deutschland

  

Die Krone

Weg von der Optik, hin zur Funktionalität. Und zu dem Teil, das wir täglich bedienen müssen: die Krone. Es mag hart klingen, aber die Wahrheit muss auf den Tisch, gerade bei einem so wichtigen Bestandteil einer Uhr. Während die Rolex-Krone mit Miniatur-Dimensionen aufwartet, die wohl gerade eben noch von eidgenössischen Schoki-Rührern bedient werden kann, so punktet die Steinhart mit einer Krone, die auch von ehrlichen Handwerkerhänden auf Drehzahl gebracht wird. Haptik, Bedienbarkeit und Materialfülle – der nächste Punkt für Deutschland.

7:0 für Deutschland

Die Lünette

Rot-blau. Beide. Kann man eigentlich nix sagen. Hier wäre ich bereit gewesen, eine Punkteteilung ins Auge zu fassen, auch wenn die Zifferblatteinfassung der Steinhart größer und damit senioren-geeigneter beim Ablesen ist (nicht dass ich es brauche).

Doch beim Ratsch-Test (Werthaltigkeit der Einrast-Akkustik beim Drehen der Lünette) dann der Schreckmoment: Während sich der Drehring der Steinhart ordnungsgemäß und satt nur gegen den Uhrzeigersinn drehen lässt, ratscht die Lünette aus der Schweiz lässig und leise in beide Richtungen. Man muss kein Taucher sein, um diese lebensgefährliche Fehlfunktion auf’s Strengste zu verurteilen. Aus dem fast geteilten Punkt werden so zwei Punkte für die Steinhart.

9:0 für Deutschland

Leuchtkraft

Als hätten wir es geahnt, auch in der vorletzten Disziplin steht die Rolex im Dunkeln. Hier hat sie ihr nicht vorhandenes Licht vollends unter den Scheffel gestellt. Während die Steinhart fast das Lesen der Tageszeitung auch des Nächtens ermöglicht, ist die Krone aus der Schweiz nur dank der Bindung am Handgelenk aufzufinden. Eine reine Schönwetter-Uhr. Schade – aber verdienter Punktverlust.

10:0 für Deutschland

Verpackung und Papiere

Mir blieb bis zuletzt die Hoffnung, dass die Rolex wenigstens im Bereich der Ausstattung ein Pünktchen einfahren kann. Schließlich erwartet man von einer Uhr dieser Preisklasse auch ein klasse Paket. Doch auch hier: weit gefehlt. Ein grünes Irgendwas an Umkarton im 90er Jahre-Design, eine mit Kunstleder-Imitat bezogene Holzkiste, in dem sich ein Plastikmäppchen mit Faltzettel findet. Das altbackene Design und Geschnörkel dieses hochtrabend als „Zertifikat“ betitelten Stückes Papier wird nur noch durch die Tatsache übertroffen, dass dieses doch angeblich so wichtige Dokument im rechten oberen Bereich gelocht und damit wahrscheinlich wertlos gemacht wurde.

Edel und modern hingegen das geschmackvolle Outfit der Steinhart. Klares weiß, edles schwarz im Innenbereich und ein gut lesbares Dokument, das auch höchsten Identifikations-Ansprüchen genügen kann. So geht Packungs-Design heute. Dafür bezahlt man gerne 490,- Euro – und vergibt den letzten Punkt.

11:0 für Deutschland

Fazit

Das Ergebnis ist so eindeutig wir erfreulich für die deutschen Uhrenhersteller. Hier hat eine kleine teutonische Edelschmiede dem eidgenössischen Massenprodukt gezeigt, wie man der angeblich so übermächtigen Schweizer Uhrenindustrie Paroli und Ricola bieten kann. Dank eigenständigem Design und moderner Interpretation des Themas „GMT“. Bravo.

Im nächsten fairen Vergleichstest zum Thema „Vielfalt der Klingeltöne“ werde ich zeigen, dass sich die Apple iWatch nicht vor der wesentlich teureren Patek Philippe „Grandmaster Chime“ zu verstecken braucht.

Mehr Interessantes rund um das Sammeln und Bewerten von Uhren unter www.herrstrohmsbuecher.de

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