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Wer Rolex will, muss Breitling kaufen.

Über C-Kunden, Upgrades und Zwangskäufe.

Sie als meine Leser wissen, wie ich mein täglich Brot verdiene. Ich verkaufe gebrauchte und bänderseits optimierte Uhren in meinem eigenen Online-Shop oder im Showroom. Das Attribut „gebraucht“ erklärt von selbst, dass ich beim Einkauf der Uhren nicht auf Hersteller oder sehr selten auf andere Händler, geschweige denn Konzessionäre edler Marken zurückgreifen kann.

Meine „Lieferanten“ sind Menschen wie Sie und ich: Sammler, Verrückte, Luxusmessis und im Nebenberuf meist Privatpersonen. Die Gründe des Verkaufs sind vielfältig, vielleicht kommt Ihnen der ein oder andere sogar bekannt vor: Die Umstellung der Sammlung, der Fehleinkauf in Urlaubslaune (aka Alkohol), Finanzierung einer Neuanschaffung, bis hin zu: „Ich sammle jetzt Oldtimer“.

Der Gründe gibt’s viele, es hätte also nicht noch einen gebraucht. Doch genau dieser ist in den letzten ein bis zwei Jahren dazugekommen: Der Zwangserwerb einer oder mehrerer Uhren beim Händler.

War mir die Vorsilbe „Zwangs…“ bisher meist durch negativ besetzte Begriffe wie Neurose, Vollstreckung oder Prostitution bekannt (nur vom Hörensagen – in allen drei Fällen), so werde ich nun regelmäßig mit Uhren konfrontiert, die nicht ganz freiwillig in den Besitz meines Verhandlungspartners gelangt sind. Während wohl die meisten jetzt verwundert auf den Screen schauen, blickt der eine oder die andere gerade verschämt zur Seite. Kommt Ihnen das bekannt vor? Zur Verdeutlichung lassen Sie mich bitte das letzte Erlebnis schildern. Es begann mit einem Anruf…

„Sie glauben nicht, welche Uhren ich mir heute gekauft habe, Herr Strohm…!“

Am anderen Ende des Telefons ein mir bekannter Uhrenfreund, der vor Jahren eine gebrauchte Rolex bei mir erstanden hatte. Seither klingelt er regelmäßig durch. Nicht etwa um mit meiner Hilfe seine „Sammlung“ zu erweitern, sondern mehr um mir zu erzählen, wie bevorzugt er doch durch seinen Kronen-Konzi behandelt wird, und er wieder einer der Ersten war, die den begehrten Schweizer Edelstahl am Handgelenk tragen dürfen. Ein kleiner Plausch unter Sammlern eben.
Umso mehr ließ mich der oben zitierte Satz stutzen. Wenn ich es nicht glauben würde, was er dort erworben hat, dann wird es wohl keine Rolex sein…oder?

„Heraus damit!“ wollte ich ihm entgegenrufen, hätte er mich zu Wort kommen lassen. Doch er beantwortete seine Frage selbst mit einem schelmischen

„Eine Breitling und eine IWC!“

Die dramatische Pause, die er dann einlegte, wies mich darauf hin, dass er jetzt wohl meinerseits den Ausdruck höchsten Erstaunens erwartete. So etwas wie „Potz Blitz“ oder „Sie Teufelskerl, Sie…!
Mein vorausahnendes und kurzes „Warum?“ bremste nicht nur seinen begeisterten Redefluss, sondern auch seine Laune.

„Wie…warum?“

Ich erklärte ihm, dass er als bekennender „Mir kommt nix außer Rolex ins Haus“-Typ wohl einen ganz besonderen Grund zum Erwerb solcher „Nebenmarken“ (sein eigenes Zitat!) gehabt haben musste. Und ich hätte da schon eine Idee.
Also erzählte er mir eine Geschichte, die ich in ähnlicher Form in den vergangenen Monaten mehr als einmal gehört habe. Manchmal mit Stolz, manchmal mit Scham in der Stimme des Erzählers. Ich fasse sie kurz in meinen eigenen Worten zusammen. Der Einfachheit halber nenne ich die Protagonisten des folgenden Kammerspiels Herr König und Herr Diehler.

Der Kunde, hier also Herr König genannt, betritt die heiligen Hallen des Herrn Diehler,seines Zeichens Konzessionär, zum quartalsmäßigen Auffrischungsbesuch der gegenseitigen Beziehungen. In Zeiten der Verknappung von Luxusuhren eine durchaus sinnvolle Strategie sich in Erinnerung und auf die Warteliste zu rufen.
Herrn König steht der Sinn nach einer Rolex GMT II „Batman“, was er Herrn Diehler wohlwollend mitteilt. Der aber reagiert ganz anders als von unserem Sammler erwartet. Er habe keine und bekomme auch keine mehr rein. Und wenn, ja wenn…dann muss er ja auch mal an andere Kunden denken, nicht immer nur an Herrn König. Und außerdem – die heutige Zeit verlangt nach anderen Verhandlungsformen.

Herr König, dessen Gemütszustand binnen Minuten von vorfreudig in erstaunt und dann in schlechtlaunig wechselte, sah seine Felle davonschwimmen, besser gesagt seine „Batman“ davonfliegen. Sein „Aber ich bin doch…“ wurde von Herrn Diehler mit einem rigorosen „Andere auch!“ unterbrochen. Da könne er nichts machen, außerdem sei er ja bei Weitem nicht der beste Kunde, da gäbe es ja noch ganz andere.
Nach einer kurzen Pause entzündete unser Verkaufsprofi dann doch ein Lichtlein am Ende des Tunnels. Vielleicht gäbe es ja eine Möglichkeit für Herrn König in die Riege der absoluten Top-Kunden aufzusteigen. Die würden sich dadurch auszeichnen, dass ihr Einkaufsverhalten viel breiter gefächert sei. Nicht nur die Marke mit der Krone würde die schwarze Kreditkarte belasten, auch andere durchaus sammelwürdige Marken würden, wenn auch nicht in rauen, aber doch in Mengen eingekauft. Breitling, Omega, Zenith, mal eine IWC oder noch lieber eine Ebel. Und flugs hatte Herr Diehler einen Vorschlag parat:

„Kaufen Sie sich doch jetzt einen schönen Navitimer und für die Frau Gemahlin eine IWC Portofino. Da mach ich Ihnen einen guten Preis – sagen wir rund 10.000,- Euro für beide. Und vielleicht klappts im kommenden Jahr mit einer GMT.“ Obwohl – versprechen kann er da nix. Und er wisse ja, dass die Preisempfehlung unverbindlich sei und dass da locker noch 50% draufkommen.
So kam Herr König zu einem Navitimer und einer IWC, die er und seine Frau weder tragen noch besitzen wollten. Und so kam ich in den Genuss eines großzügigen Angebotes:

„Wollen Sie die Uhren nicht ankaufen, Herr Strohm?“

Was nun folgte, führte zum einstweiligen Abbruch unserer Kommunikation. Ich bot Herrn König den Ankauf zu Händlerkonditionen an. Beide Uhren ein gutes Stück unter Listenpreis, denn auch er habe ordentlich Prozente bekommen. Das quittierte mein Gegenüber nur mit den erbosten Worten, „er werde wohl kaum Verlust machen wollen bei dem Deal!“
Ich versuchte ihm zu erklären, er habe bereits 10.000,- Euro Verlust gemacht, alleine durch den zwangsweisen Kauf von zwei Uhren, die er nicht haben wollte und die er nie tragen wird. Ich wolle ihm nur helfen, seinen Verlust zu minimieren.
Ich kürze das darauffolgende und leicht unangenehme Gespräch ab: Wir wurden uns nicht handelseinig und auch keine wirklich guten Freunde mehr.

Um das Gelesene einzuordnen, übersetzen wir es in den Automobilhandel: Sie möchten sich endlich den lang erträumten Porsche kaufen. Nicht leasen, kaufen. Weil Sie wollen und können. Beim ersten Gespräch macht Ihnen der Porschehändler klar, dass an einen direkten Kauf nicht zu denken ist, nicht einmal an eine Bestellung. Dies ließe sich nur durch den Erwerb des frisch reingekommenen 750er BMW, Bj 2017 und das dazugehörige Mini Cabrio für die Gattin ändern. Dann…ja vielleicht dann im nächsten Jahr…

Wer viel kauft, darf auch Vorteile erwarten, aber…

Nach diesen recht plakativen Ausführungen möchte ich nun etwas differenzieren: Ja, es gibt genügend Konzessionäre, bei denen auch ein Erstkunde die Chance auf ein begehrtes Uhrenmodell hat. Das ist gut so, wenn auch selten.
Das Phänomen des „ungeplanten Beikaufes“ wird nicht nur bei Rolex, sondern auch bei anderen Nobelmarken wie Patek Philippe und Audemars Piguet sichtbar. Wenn auch etwas subtiler, dafür im höheren Preissegment.
Es ist und bleibt das gute Recht eines Geschäftsmannes und einer Unternehmerin ihre begehrte Ware an ausgesuchte Kundschaft zu verteilen. Wer behauptet, er würde in vergleichbarer Position nicht auch zwischen A-, B- und C-Kunden unterscheiden, dem glaube ich nicht. Wer viel kauft, darf auch viele Vorteile erwarten. So war es schon immer.

AP kommuniziert meines Wissens sehr offen, nach welchen Umsätzen welche Ware angeboten wird. Viele Juweliere (immer noch ein Großteil der Uhren-Konzessionäre) sagen recht deutlich, dass die gewünschte Uhr nur in Kombination mit entsprechender Menge Schmuck zu erwerben ist. Schmuck, bei dem die Marge ein Mehrfaches höher liegt als beim Uhrenverkauf.
Ich habe es bereits an anderer Stelle gesagt, dass meiner Meinung nach der aktuell heißeste Scheiß, die Patek Philippe „Tiffany“, im gleichnamigen Schmuck-Lädchen nur als Dankeschön für einen sechs- bis siebenstelligen Geschmeideerwerb über die Theke geht. Verkehrte Welt – glücklicher Händler.

Dies alles kann man machen – muss es aber nicht. Vonseiten der Kunden als auch vonseiten der Händler.
Die seriösen Sammler haben sich bereits daran gewöhnen müssen, dass das Betreten eines Ladengeschäftes und der Besitz von nötigen finanziellen Mitteln nicht zwangsweise zum Erwerb der gewünschten Uhr führt. Dass Ihnen genau diese Uhren von Spekulanten die gewillt sind, jeden Preis zu zahlen, weggeschnappt und sie mit und auf angeblichen Wartelisten vertröstet werden.

In YouTube-Tutorials wird detailliert beschrieben, wie man sich beim Konzessionär lieb Kind macht, sich als Sammler und damit der Zuteilung des Zeitmessers als würdig erweist. Welche Aufschläge zur UPE und welche Wartezeiten zu ertragen sind und bei welchen Modellen es völlig abwegig erschein, überhaupt zu fragen.

Wenn zu all diesen „Serviceleistungen“ jetzt auch noch ein Zwangserwerb von „Nebenmarken“ kommt, dann hat sich die Positionierung von Käufer und Verkäufer endgültig auf den Kopf gestellt. Wenn nicht mehr der Kunde, sondern der Konzi der König ist, werden auch die letzten treuen Besucher des stationären Handels ins Netz abwandern.
Denn dort sieht man nicht nur auf den ersten Blick die Verfügbarkeit eines Produktes, am Kaufen-Button im Warenkorb sind alle gleich.
Natürlich fehlt das persönliche Einkaufserlebnis von Angesicht zu Angesicht, aber dafür auch das mitleidig, herablassende Lächeln so manchen Verkäufers, wenn Sie nach einer Submariner fragen.

Der Händler, der seine Kunden durch „Beikäufe“ zur Cashcow degradiert, zieht sich seine ganz eigene Klientel heran: Die Spekulanten und Poser, die jeden Preis bezahlen, aber nichts mehr mit dem geliebten „treuen Kunden“ gemein haben.

Denn der hat erkannt, dass der Spruch „Gier frisst Hirn“ auch auf Händler zutreffen kann.

Sie haben ähnliche Erfahrungen gemacht? Genau für diese ist die Kommentarfunktion gedacht. Wir sind alle gespannt.

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