Oder: Wie man eine tolle Uhr so lange glattbügelt, bis sie in der Masse untergeht.
In diesem Bericht geht es um die „Tudor Black Bay“ eine meiner absoluten Lieblingsuhren von einem meiner absoluten Lieblingshersteller. Und warum ich absolut sauer bin, dass dieser mit der in die absolut falsche Richtung marschiert.
Bevor ich es gleich in meiner Emotionalität vergessen werde: Ich rede an dieser Stelle nur von Design, Optik und Marketing. Nicht von der Evolution innerhalb der Black Bay, den wirklich tollen Wandel vom Allerweltswerk hin zum Manufakturkaliber. Für den Antrieb gilt: Alles richtig gemacht Tudor. Lob Ende.
Der Beginn meiner Liebe
Die Kombination aus Design-Zitaten der alten Snowflake, der wunderbaren Farbgebung von Zifferblatt und Lünette und dem Verpacken aller Komponenten in ein zeitgemäß-erwachsenes Gehäuse haben mich begeistert – und tun es heute noch. Die Ur-Black Bay ist eine der ganz wenigen Lieblingsstücke, die mich noch nicht gegen schnöden Mammon verlassen haben. Sie brachte mir sogar den ersten Kontakt zu maßgefertigten Armbändern ein, in Gestalt eines Herrn Mays aus Berlin, der sich viel Mühe gab, für mich und diese neue Uhr das passende Bändel zu kreieren.
Zum ersten Mal schaffte es Tudor mit dieser Uhr in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Die kleine Schwester von Rolex begann sich zu emanzipieren, galt plötzlich als innovativer und mutiger. Zu einem Drittel des Kronen-Preises. Wer Black Bay trug, galt als cleverer Insider, der für relativ wenig Geld relativ hohe Qualität am Handgelenk trägt.
Ritt auf der Welle
Meine Rote war in Sachen Zifferblatt, Indizes und Lünette perfekt farblich aufeinander abgestimmt. Die Blaue hingegen hatte eine einfallslos-blaue Lünette, schwarzes Zifferblatt mit
Vom Trendsetter zum Mainstream
Die vollschwarze PVD ist optisch so nahe an der Pelagos, dass sie für mich keine wirkliche Daseinsberechtigung hat.
Der traurige Höhepunkt
Anscheinend hat dann irgendjemand entschieden, auch die Pinwandzettel ernstzunehmen, über die vorher noch jeder gelacht hatte. Denn wie sonst lassen sich die beiden aktuellen Modelle erklären, mit denen auch die allerletzte Nische besetzt werden soll. Zum einen der Chrono, eine nette Uhr, aber keine Black Bay. Kastrierte Zeiger, die Tachymeter-Lynette der Big Block und ein Allerweltsgesicht.
Die Steigerung des fragwürdigen Geschmacks: die „S&G“. Bicolor aus dem letzten Jahrhundert. Präsentiert von einer „Stilikone“ des letzten Jahrhunderts: David Beckham. Der Mann, der uns Metrosexualität näherbringen sollte, trägt jetzt eine Stahl/Gold Black Bay am mit Bauernmalerei bedeckten Arm. Was wohl die modebewusste Victoria dazu sagt?
Warum reg ich mich eigentlich darüber auf? Kann doch jeder produzieren oder kaufen was er will! Wahrscheinlich nervt mich als Designer und Marketingmann der Umgang mit einem so tollen Produkt. Und das von einer Marke, die ich sehr schätze. Dieses unbedingte Rausquetschen was geht, das Hinbiegen auf wirklich jeden Geschmack, das Verwässern eines eigenständigen Designs.
Eine Submariner ist deshalb zur Ikone geworden, weil sie über Jahrzehnte nur extrem vorsichtig und minimalistisch adaptiert wurde. Von der Daytona gibt es hingegen Hunderte Modellvarianten, die (zu Recht) in Vergessenheit geraten sind und teilweise verramscht wurden.
In der Automobilindustrie gibt es ein ähnliches Phänomen: Einst gab es ein Limousine, dann das sportliche Coupe, das Cabrio und den Kombi für die Handwerker. Jetzt gibts SUV, VAN und Komi-VAN als SUV-Cabrio-Zweisitzer-Hybrid-Allrad…für Männer über 56…
Wie sagte schon Oma: „Wer glaubt alles zu können, kann nichts davon richtig“.
Mit meinen Worten: Wer eine Cash-Cow besitzt, sollte sie nicht zu Tode melken.
(Fotos: Strohm, Tudor)