Eine Ingenieur macht’s dir nicht schwör.

Zugegeben, die Modellbezeichnung „Ingenieur“ spricht nun nicht gerade das emotionale Zentrum des Sammler-Hirns an. Das hört sich eher nach deutscher Tugend innerhalb eines (von einem Amerikaner in der Schweiz gegründeten) Technologiekonzerns an.

Die Ref.3725 – so stellen sich die meisten die Ingenieur vor

Trotzdem glaube ich immer wieder feuchte Augen zu sehen, wenn mein uhrenbeklopptes Gegenüber von „seiner Inge“ schwärmt.
Die Ingenieur aus dem Hause IWC setzen viele Uhrenfreunde gleich mit jeder Menge Stahl, gehalten vom integrierten Band (noch mehr Stahl) und ausgestattet mit einem Magnetfeldschutz, der es den Ingenieuren (aha!) erlaubte, auch auf und in diesem Feld die Uhrzeit unverfälscht abzulesen.

Die Ingenieur SL (Foto: IWC)

Beschränkte sich die Klientel also auf den diplomierten Techniker im Strahlungsraum, wäre das Modell wohl bereits in den Kindertagen (Mitte der Fünfziger) gefloppt. Doch entweder haben die IWCler Glück gehabt, oder auch bei Funktion und Optik einiges richtig gemacht. Denn die Ingenieur ist nach über 60 Jahren zu einer der Ikonen jeder Uhrensammlung geworden. Eine Sub, eine Speedy, eine Ingenieur – feste Bestandteile der Sucht.

Der geniale Uhrendesigner Gérald Genta gab der Ingenieur mit dem Modell „SL“ zum ersten Mal das Aussehen, das sie bis heute unverwechselbar macht. Ganz typisch: die breite Lünette mit den fünf Bohrungen. Inspiriert von einem Taucher, dessen Helm mit Schrauben am Anzug fixiert waren, beschloss Herr Genta die Schrauben oder Bohrungen nicht mehr zu kaschieren, sondern als Design-Element zu definieren. So ein Fuchs!

Angeberwissen: Ein spezielles Werkzeug bringt mittels der Bohrungen die Glasfassung in die passende Position. Funktion und Design – so macht man das. Bei den aktuellen Modellen vermisse ich diese Wiedererkennung – warum eigentlich?
Daneben wird der Blitz im Ingenieur-Schriftzug zur Signatur der neuen Uhrenklasse.

Die Referenz 3236 mit den auffälligen roten Sekunden

Die SL war für heutige Verhältnisse noch ein zierliches Ührchen, aber die Ingenieur wuchs in den kommenden beiden Jahrzehnten zur stattlichen Männeruhr heran. Trieb in den Achtzigern noch Quarz die Werke an, so stellten die Schaffhausener mit dem Kaliber 375 bald auf Automatik um. Ganz typisch für die Zeit ist das wunderbare Rautenmuster auf den Zifferblättern. Der Magnetfeldschutz des Modells „500 000 A/m“ ermöglichte es jedem Radiologen (theoretisch) in seinem Kernspintomografen zu übernachten.

2005 startete die Ingenieur wieder richtig durch. Dazu beigetragen haben die Rückbesinnung auf das puristische Genta-Design, aber auch neue Partnerschaften, wie z.B. die mit Mercedes-AMG.
Die Uhr wuchs einerseits zur „Großen Ingenieur“, die nun wirklich an keinem Handgelenk mehr zu übersehen war. Andererseits speckte sie beim Gewicht erheblich ab, was dem Werkstoff Titan zu verdanken war. So ist es auch muskulär reduzierten Uhrenträgern wie mir erlaubt, eine solch große und tolle Uhr ermüdungsfrei zu tragen.

Die Bandbreite (welch eine Überleitung) wurde von Stahl auf Kautschuk, Textil und Leder erweitert, was mir persönlich extrem entgegenkommt. Zum Glück hat sich die Qualität der Bänder zwischenzeitlich gebessert. Vor Jahren noch sind die Textilbänder am patentierten Schnellanschluss gescheitert – sich ablösende Verklebungen und daraus resultierende UHU-Reste am Handgelenk waren die Folge.

Neuere Modellvarianten, wie die hier gezeigte blaue Laureus-Ingenieur, sind dank einer moderaten Größe auch von Schmalgelenklern und Damen zu tragen. Und immer noch eine Augenweide (die Uhr).
Eine meiner Lieblingsversionen trägt eine schwarze Keramik-Lünette, wie ich finde eine tolle Kombination, die auch äußerlich jederzeit ihrer Herkunft treu bleibt.

Wer Ingenieur liebt, kann also jeden Tag ein anderes Modell tragen und wird mindestens zwei Wochen keine Langeweile verspüren. Mit ein Grund, warum mich diese Modell-Reihe von IWC immer noch und wieder begeistert.

Jetzt hätte ich fast noch die Bilder der „Silberpfeil“ (an Leder) und der Big Ingenieur Ref.5005 vergessen. Voila!

1 Comment

  1. Christian sagt:

    Das Design von Genua ist was das besondere und zeitlose dieser Uhr ausmacht, leider gibt sich IWC alle Mühe das immer weiter zu verwässern und unkenntlich zu machen. Sehr schade! Zum Glück macht Omega neben der hundertsten Special Edition der Moonwatch immer noch das Orginal mit Hesalit und Handaufzug. Daran könnte IWC sich auch orientiren.

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