Von diebischen Zöllnern und zerstörerischen Juwelieren

September – für alle, die das Gröbste (also die schulpflichtigen Kindern) hinter sich gelassen haben, die perfekte Urlaubszeit. Preiswerte Hotels, billige Drinks und SALE beim Strandkonzi. Genau die Jahreszeit, in der mich aus Lloret de Mar, Calla Millor und Antalya die Hilfe-Mails erreichen, konzentriert auf die zwei Urlaubsfragen aller Fragen:

  1. „Darf ich eine gefälschte Uhr mit nach Hause bringen?“ Antwort: „Nein, das Handgelenk faul noch während des Rückfluges ab und der Penis schrumpft!“
  2. „Dann frag ich anders: Mach ich mich strafbar, wenn ich ein Fake nach Deutschland einführe?“ Die etwas längere Antwort lesen Sie hier:

Über Sanktionen bei der Einfuhr oder dem Besitz von Fake-Uhren wird oft spekuliert und Erschreckendes verbreitet. Vieles ist so falsch wie die China-RELOX selbst.

Vorab: Lassen Sie uns an dieser Stelle keine Diskussion über den Unsinn (Sinn gibt es keinen) von gefälschten Uhren beginnen. Meine Meinung dazu können Sie in mehreren Beiträgen dieses Blogs nachlesen. Trotzdem befasse ich mich mit dem Thema, um einige Irrtümer auszuräumen und kontraproduktive Diskussionen zu beenden.

Irrtum Nr.1: Der Besitz eines Fakes ist strafbar.

Dem ist nicht so, auch wenn man eigentlich wegen Dummheit bestraft werden sollte. Als Privatperson dürfen Sie eine gefälschte Uhr besitzen. Zum reinen Privatvergnügen, wenn es denn eins sein sollte. Es kann Sie nicht einmal jemand dran hindern zu behaupten, sie sei echt. Ausgenommen, diese Aussage wäre Teil eines Verkaufsgespräches – dann handeln Sie in betrügerischer Absicht. Und Handeln mit Fakes ist in Deutschland verboten.

Irrtum Nr.2: Die Einfuhr eines Fakes ist verboten.

Nicht einmal das ist strafbar. Wenn auch gefühlt 30% des Gepäckgewichtes von Türkei-Rückkehrern aus gefälschten Markenprodukten bestehen, so ist die persönliche, mit einer Reise verbundene Einfuhr aus nichteuropäischen Ländern in „Maßen“ legal.

Auf der Homepage der Bundesregierung ist nachzulesen:

Gefälschte Markenartikel: Solange der Wert von Plagiaten die Reisefreigrenze von 430 Euro (Flug- und Seereisende) nicht überschreitet, ist der Import unbedenklich.

Es gilt der Wert des Plagiates, nicht des Originals. Und wir reden hier auch von Mitbringseln einer Reise, nicht der Einfuhr auf dem Postwege. Denn dann wäre die Ware auf jeden Fall noch zu verzollen (2-4%) und die gesetzliche Mehrwertsteuer des Empfängerlandes (bei uns derzeit 19%) zu entrichten. Unabhängig ob echt oder nicht. Dabei ist die Zollbehörde beispielsweise durch die §§ 146 ff. Markengesetz ermächtigt, (potentielle) Nachahmungen aus dem Verkehr zu ziehen. Sie können überprüft und ggf. einbehalten werden. Als Privatperson, die nicht damit handelt (auch Mehrfachverkauf bei ebay kann ein gewerbliches Handeln darstellen), sind Sie keinem Regress ausgesetzt – außer dass Ihr China-Schnäppchen nie bei Ihnen ankommt.

Voraussetzung ist immer, dass Sie nicht mit der Ware handeln. 20 gefälschte Submariner à 20,- Euro liegen zwar noch im Warenwert unter der genannten Obergrenze. Aber Sie werden dem netten Zöllner schwerlich klar machen können, dass Sie zwanzig Mal das selbe Modell nur für sich gekauft haben. Er wird Sie als Händler und damit als Strafezahler einstufen.

roelex

Nein, das ist kein wertvoller Fehldruck auf dem Zifferblatt…

 Irrtum Nr.3: Der Uhrmacher oder Konzessionär darf ein Fake einziehen und zerstören.

Darf er nicht. Und würde er es tun, kann er wegen Diebstahl und Sachbeschädigung belangt werden. Aus den ersten beiden Punkten ergibt sich logisch, dass eine nicht strafrelevante Sache auch nicht eingezogen und schon gar nicht vernichtet werden darf. Weder aus eigener Lust und Laune, noch auf Anweisung eines Markenherstellers. Die uns bekannten Bilder der Dampfwalze und den unterlegenen Cartier-Uhren zeigt gefälschte Ware aus dem verbotenen Handel mit selbiger.

Natürlich darf – und sollte – sich der Uhrmacher weigern, an den Repliken herumzudoktern oder die Batterie einer Submariner zu wechseln (ja, gab’s alles schon). Er darf ins Gewissen reden, dem Kunden zürnen und ihn mit Liebesentzug strafen – das wars dann auch schon.

Und die Moral von der Geschicht’?

Jetzt wissen Sie also, dass es durchaus möglich ist, ein billiges Fake in Deutschland zu besitzen, sogar es einzuführen. Sie sollten sich aber darüber im Klaren sein, dass die Hersteller der Uhr immer noch Fälscher sind, die sich einen Dreck um Urheberrechte und Patente kümmern und Arbeitsplätze bei den Unternehmen gefährden, die die Rechte besitzen. Und dass Sie dieses Treiben mit Ihrem Kauf unterstützen.

Nein, Sie besitzen dann keine 35-Dollar-Rolex. Und Sie sind auch nicht „extrem clever“ weil Sie nicht „das völlig überteuerte Original“ gekauft haben. Sie haben sich gefälschten Sch… im Wert von nicht mal zwei Dollar andrehen lassen. Und damit stellen Sie sich mit der Uhr an Ihrem Handgelenk auf eine Stufe: Sie beide sind nichts weiter als billige Blender.

Sorry, es ging gerade durch mit mir. Weiß ich doch genau, dass die Leser von Herrn Strohms Uhrsachen nie eine RELOX oder eine TÜDOR ans Handgelenk lassen würden…oder? Hand drauf.

13 Comments

  1. Stefan sagt:

    Sehr aufschlussreicher Artikel. Vielen Dank dafür.
    Das Problem für die ganzen Luxusgüterhersteller ist bestimmt nicht der Otto-Normalo von nebenan, der auf Grund von mangelnder Finanzstärke sich ein Fake an den Arm schnallt. Vielmehr ist das Problem der solvente potentielle Kunde, der auf Grund das jeder Hunz und Kunz eine vermeintliche Sub am Arm hat, diese eben nicht mehr kauft.

  2. Rene sagt:

    Obwohl ich Ihren Groll gegen Nachbauten verstehen kann, muss man nüchtern feststellen, dass „Swiss Made“ mittlerweile das selbe ist wie eine kapitalbildende Lebensversicherung“: legaler Betrug am Kunden. Sogar original schweizer uhrenhersteller geben das offen zu und manche machen daraus sogar lustige Werbung, wenn sie denn mal wieder eine RICHTIGE schweizer uhr bauen, wie der Hersteller Moser & Cie. (https://www.youtube.com/watch?v=Y7uaQTJKvRs)

    Das Thema „wie viel Swiss made steckt überhaupot noch in einer Schweizer Uhr“ wird in manchen Blogs kontrovers diskutiert, einen guten Beitrag sehe ich bei „Chrononautix“, ebenfalls ein erklärtert Gegner von Nachbauten. (https://chrononautix.com/swiss-made-uhren-definition-ultramarine-morse-moser-cie/)
    Trotzdem kommt er zu dem Fazit, dass die zurechtgebogene Schweizer Vorschrift ein Blendwerk ist, das bis zu 90% Auslandsproduktion immer noch als „Swiss made“ gelten lässt.

    Ich muss ehrlich sagen: ich empfinde mich seither eher vom Original geblendet (getäuscht), als vom Kopierer. Jener sagt wenigstens ehrlich, dass alles aus China kommt. Ich war ob dieser Erkenntnis entsetzt und kaufe derzeit aus genau diesem Grund überhaupt keine „hochwertige“ Uhr mehr, bis ich diesen Schock verdaut habe. Ich empfinde das als verletzend und Ich stelle mir seither die Frage, wer hier wen blendet. Im Moment halte ich die Käufer von chinesischen Nachbauten in der Tat für clever – sie tun aktuell genau das selbe wie die Hersteller auch.

  3. Sven sagt:

    Mal im Ernst – es gibt zu viele schöne Uhren, als das man alle Original kaufen könnte. Meist gefällt einem das Design und die Marke ist sekundär. Und nein, richtig gute Fakes von Noob bspw. kosten auch jenseits der 500 EUR und haben keine schlechteren Werte auf der Zeitwaage als manche echte Rolex. Also wer neben seinen echten Edeluhren die ein oder andere gute (!) Homage Uhr hat, den kann ich verstehen und verurteile ihn nicht!

  4. Gian-Martin Sommerau sagt:

    Einmal mehr- Danke Herr Strohm!
    Sie schreiben mir aus dem Herzen.

    Als im Gesundheitswesen Tätiger sei noch nachgeschoben:
    Obwohl auch ich nur mässiges Mitleid hätte, das Handgelenk wird wohl nicht bereits auf dem Rückflug nach Hause abfaulen. Vor gänzlich Schadstoff-üngeprüften Uhren sei trotzdem gewarnt. Das gibt es tolle Bilder & Berichte von lokaler, allergischer Reaktion bis zur schweren Kreislaufbeeinträchtigung von….

    Soviel sollte sich jeder wert sein.
    Real & im übertragenen Sinne…

  5. Marcel Fehr sagt:

    Wer braucht denn schon eine Rolex? Ob echt oder Fake…
    😉
    Da gibt’s noch so viele schöne andere Marken. Aber Seiko geht (bei mir als Schweizer) natürlich gar nicht.

  6. Robert Lau sagt:

    Kurzweiliger und treffender Artikel!
    Ich denke, die Geschichten von verbotenem Besitz, Zerstörung durch Zoll oder Konzi usw. werden gezielt immer weiter getragen, um den Besitzern des billigen Fakes zumindest noch das Attribut des „Outlaws“ zu lassen. Wer steht schon gerne als Blender da, der für Müll gutes Held bezahlt hat?!

  7. Tom sagt:

    Auch wenn ich dir prinzipiell vollkommen zustimme und noch nie eine Falschung gekauft habe, so erscheint mir das Arbeitsplatz Argument doch wenig stichhaltig
    Niemand, der sich eine echte Sub leisten kann, wird sich stattdessen ein $35 Fake zulegen. Die Arbeiter am Rolex Fliessband sind also sicher. Eher noch gefahrdet das die Kollegen bei Fossil und Co.
    Auch bei Kleidungsstücken sehe ich kein grosses Problem, werden die gefälschten Jeans doch oft in der selben türkuschen Fabrik hergestellt und sowohl original als auch fake T-Shirts von Kindern in Bangladesh.
    Viele Marken profitieren auch von Fälschungen. Mit Sicherheit wäre eine Sub ohnie die ganzen Hommagen und Fakes weit weniger bekannt und begehrt. Viele Hersteller verticken dazu noch quasi selbst gefälschte Ware in ihren Outlets.

    • Herr Strohm sagt:

      „Niemand, der sich eine echte Sub leisten kann, wird sich stattdessen ein $35 Fake zulegen.“
      Mehr als ein Arzt und „Besserverdiener“ hat mir schon voller Stolz sein Fake gezeigt, mitbedenkt Hinweis, wie clever er doch sei, oder eine „Zweituhr“ fürs Grobe zu besitzen…

  8. THE LLIGHT sagt:

    Lieber Herr Strohm,

    ich möchte nicht nur mich, sondern auch meine Danksagung für diesen treffenden und unterhaltsamen Artikel kurz fassen.

  9. Oliver Häse sagt:

    Also Seiko baut tolle Uhren und die Grand-Seiko-Linie ist Mechanik vom Allerfeinsten.

    • AG sagt:

      Deshalb sage ich ja „Lieber eine ehrliche Seiko“ als eine falsche XYZ ;-); und ja Seiko baut tolle Uhren deshalb habe ich auch die ein oder andere von Seiko.

  10. AG sagt:

    „Sie beide sind nichts weiter als billige Blender.“

    Der perfekte Satz zum Abschluss !

    Lieber eine ehrliche SEIKO, Citizen oder ähnliches als eine RELOX…

    Wie immer sehr interessant und kurzweilig geschrieben.

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