Von Großvätern, Dachböden und verschollenen Dokumenten.

 

Oder: Ohren auf beim Uhrenkauf.

Es kommt nicht mehr so oft vor, vielleicht 2-3 Mal im Jahr. Aber dann…dann laufe ich mit dem Telefonhörer am Ohr zum Spiegel und kontrolliere hektisch, ob da nicht doch „Idiot“ auf meiner Stirn steht (was sich im Spiegel wie „toibI“ liest).

Ich muss ein Stück weit vornedran anfangen, damit Sie auch verstehen was ich meine. Konkret rede ich hier von einem Telefonat zwischen mir und einem Herrn Müller (!!) in der vergangenen Woche, das als Lehrstück für die Fallstricke des Uhrenkaufes dienen kann. Ein Gedächtnisprotokoll… es klingelt…

Ich: Bernhard Strohm – guten Tag.

Herr Müller: Hallo? Sagen Sie, Sie kaufen doch auch Uhren?

Ich: Ja, wenn Sie mir Ihren Namen verraten.

HM: …äähhh (zögert) …Müller…

Ich: Um welche Uhr handelt es sich denn? Sie haben vielleicht in meinem Shop gesehen, welche Art von Uhren ich verkaufe. Sie sollte dann schon ins Angebot passen.

HM: Eine Tudor. Haben Sie ja auch welche im Shop. Die ist von meinem Großvater. Der hat Uhren gesammelt.

Ich: Klingt interessant, welches Modell ist es denn? Wenn Sie mir was über Alter, Zustand und Zubehör sagen könnten.

HM: Ich hab mal im Internet recherchiert. Die heißt „Black Schild“ – schwarz mit braunem Band.

Ich: Ja, die „Black Shield“ ist eine schöne Uhr. Da hab ich Interesse. Können Sie mir ein Foto von der Uhr und dem Zubehör machen?

HM: Ich kann Ihnen das Bild vom Google schicken.

Ich: Nein, es sollte schon von Ihrer Uhr und dem Set sein.

HM: Es gibt nur noch eine Box…keine Papiere. Mein Großvater hat gesagt, die wären beim letzten Umzug verloren gegangen…

Ich: Können Sie ihn vielleicht fragen, wo er sie gekauft hat und ob’s da noch eine Rechnung dazu gibt?

HM: Geht nicht, mein Opa ist vor elf Jahren gestorben.

Ich (langsam auf dem Weg zum Spiegel): Vor elf Jahren? Und es ist sicherlich eine Black Shield? Und sie ist von Ihrem Großvater?

HM: Ganz sicher. Hab ich bei seinen Sachen aufm Dachboden gefunden. Für die Echtheit garantiere ich natürlich…

Ich: …natürlich!

HM: Man erkennt es ja an der Box, die ist ja von Tudor.

Ich: Und die Papiere sind immer in der Box. Also müsste die Box doch auch beim Umzug verloren gegangen sein, oder? Außerdem kam die Uhr erst nach dem Tod Ihres Großvaters auf den Markt. Etwas merkwürdig, oder?

HM: Woher wollen Sie das denn wissen? Wenn ich sag, die ist echt, dann ist die echt. Ich hab’s im Internet gesehen. Jetzt kaufen oder nicht?

Ich: Eher nicht, aber danke für das Angebot…

HM: Für Tausend?

Ich: Ich kann keine Uhren von privat ohne Nachweis und Händlerrechnung kaufen, ich bitte da um Verständnis.

HM: Achthundert?

Ich (zwischenzeitlich vor dem Spiegel angekommen): Wir kommen nicht ins Geschäft, sorry.

HM: Ich hab noch ’ne Submariner.

Ich: Auch von Ihrem Großvater?

HM: Nein, von Rolex.

Wie es endete, weiß ich nicht mehr, ich war anscheinend so geschockt von dem, was ich da im Spiegel auf meiner Stirn lesen konnte: „toibilloV“

 

 

9 Comments

  1. Dr. Jürgen Simonis sagt:

    Wieder einmal ein genialer Beitrag aus der Abteilung „ganz wie im richtigen Leben“ 😉
    Dazu fällt mir der Einstein zugeschriebene Satz ein „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Warum also sollte jemand bei auch nur noch halbwegs klarem Restverstand eine Uhr, die einen fünfstelligen Betrag gekostet hat, in eine Grabbelkiste auf den Speicher legen;natürlich nicht ohne zuvor alle Papiere und Rechnungen geshreddert zu haben?
    Das ist doch bullshit!

  2. THE LLIGHT sagt:

    „Von Ihrem Großvater?“ „Nein, von Rolex.“ Köstlich! Lieber Herr Strohm, herzlichen Dank für Ihre très amüsanten Kabinettstückchen.

  3. Manuela sagt:

    Einfach köstlich!
    Danke daß Sie uns daran teilhaben lassen.
    Mein Mann und ich haben Tränen gelacht. 🤣

  4. Lutz sagt:

    Glauben solche unwissende Deppen eigentlich immer, sie könnten Wissende verarschen?

  5. Marcus Freytag sagt:

    Einfach nur genial… Danke

  6. ausgesucht sagt:

    …aber auf der Stirn steht doch „Ibiot” *grübel*

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