Black Bye Bye…

Oder: Wie man eine tolle Uhr so lange glattbügelt, bis sie in der Masse untergeht.

In diesem Bericht geht es um die „Tudor Black Bay“ eine meiner absoluten Lieblingsuhren von einem meiner absoluten Lieblingshersteller. Und warum ich absolut sauer bin, dass dieser mit der in die absolut falsche Richtung marschiert.

Bevor ich es gleich in meiner Emotionalität vergessen werde: Ich rede an dieser Stelle nur von Design, Optik und Marketing. Nicht von der Evolution innerhalb der Black Bay, den wirklich tollen Wandel vom Allerweltswerk hin zum Manufakturkaliber. Für den Antrieb gilt: Alles richtig gemacht Tudor. Lob Ende.

Der Beginn meiner Liebe

Vor rund sechs Jahren kam mit der Tudor Black Bay eine Uhr auf den Markt, die mich im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen hat. Alle ein bis zwei Jahre ruft eine neue Uhr mir so laut „Nimm mich!“ zu, dass ich bereit bin, zu einem Konzessionär zu gehen und den völlig unverhandelbaren Neuheiten-Preis auf den Tisch des Hauses zu legen.

Die Kombination aus Design-Zitaten der alten Snowflake, der wunderbaren Farbgebung von Zifferblatt und Lünette und dem Verpacken aller Komponenten in ein zeitgemäß-erwachsenes Gehäuse haben mich begeistert – und tun es heute noch. Die Ur-Black Bay ist eine der ganz wenigen Lieblingsstücke, die mich noch nicht gegen schnöden Mammon verlassen haben. Sie brachte mir sogar den ersten Kontakt zu maßgefertigten Armbändern ein, in Gestalt eines Herrn Mays aus Berlin, der sich viel Mühe gab, für mich und diese neue Uhr das passende Bändel zu kreieren.

Zum ersten Mal schaffte es Tudor mit dieser Uhr in den Fokus einer breiten Öffentlichkeit. Die kleine Schwester von Rolex begann sich zu emanzipieren, galt plötzlich als innovativer und mutiger. Zu einem Drittel des Kronen-Preises. Wer Black Bay trug, galt als cleverer Insider, der für relativ wenig Geld relativ hohe Qualität am Handgelenk trägt.

Im Fahrwasser des Erfolges tauchten auch wieder lange verstaubte und vergessene Vintage-Schätzchen im Gedächtnis ihrer Besitzer und den Online-Marktplätzen dieser Welt auf: Tudor Submariner mit dem Schneeflocken-Zeiger („Guck mal, die hat schon die modernen Zeiger von der Black Bay…“) oder die Big Block, die bis dahin für manchen Sammler nur die Billig-Variante der Daytona war.

Ritt auf der Welle

Tudor war wieder in. Und warf in diesem Zuge weitere Heritage-Serien auf den Markt, die aber nicht den Status des Signature-Products (in jedem Post lernen wir ein neues Fremdwort) einer Black Bay erreichen konnten. Da die Geschmäcker der Kundschaft verschieden sind, ist es nicht verwerflich einen Siegertyp zu variieren. So fand sich zwei Jahre nach Einführung neben der 79220R (wie red) die 79220B (wie blue) in den Schaufenstern. Was war ich gespannt, diese Variante in Händen zu halten – und was war ich enttäuscht.

Meine Rote war in Sachen Zifferblatt, Indizes und Lünette perfekt farblich aufeinander abgestimmt. Die Blaue hingegen hatte eine einfallslos-blaue Lünette, schwarzes Zifferblatt mit weißen Strichelchen. Hä? Laaangweilig! In der Variation mit schwarzer Lünette? Noch laaaaaaangweiliger! Obwohl Blatt und Indizes wieder an die rote Version angepasst waren – stimmig war diese Kombination ganz und gar nicht. Leider sind auch die mitgelieferten Pseudo-Vintage-Bänder von einer Qualität, die mir deren Tragen verleidete.

Vom Trendsetter zum Mainstream

Ab diesem Moment hatte ich das Gefühl, als säßen im Hause Tudor ein paar Vertriebs-Profis rund um den Vorstandstisch um zu beratschlagen, welche Variationen zum Thema den Zeitgeist treffen würden. Alle schrieben sie Zettelchen und pinten sie an die Korkwand. Von den vielen lustigen Vorschlägen entschied man sich erst einmal für die „risikolosesten“: PVD und Bronze (weil jeder gerade in Bronze einschalt). Wobei ich zugeben muss, dass mir die Bilder der Bronze-Variante recht gut gefielen und die Farbauswahl dem Konzept der Ur-BB am nächsten kommt. Die Materialanmutung in natura geht leider meilenweit an meinem Bronze-Verständnis vorbei. Schade.

Die vollschwarze PVD ist optisch so nahe an der Pelagos, dass sie für mich keine wirkliche Daseinsberechtigung hat. Nicht zu vergessen die kleine 36er, die wohl ein Damenmodell sein soll und die „lünettenlose“ neue 41er, die außer dem Snowflake-Zeiger alle BB-Merkmale über Bord geworfen hat. Wer bitteschön soll so ein gesichtsloses Etwas kaufen?

Der traurige Höhepunkt

Anscheinend hat dann irgendjemand entschieden, auch die Pinwandzettel ernstzunehmen, über die vorher noch jeder gelacht hatte. Denn wie sonst lassen sich die beiden aktuellen Modelle erklären, mit denen auch die allerletzte Nische besetzt werden soll. Zum einen der Chrono, eine nette Uhr, aber keine Black Bay. Kastrierte Zeiger, die Tachymeter-Lynette der Big Block und ein Allerweltsgesicht.

Die Steigerung des fragwürdigen Geschmacks: die „S&G“. Bicolor aus dem letzten Jahrhundert. Präsentiert von einer „Stilikone“ des letzten Jahrhunderts: David Beckham. Der Mann, der uns Metrosexualität näherbringen sollte, trägt jetzt eine Stahl/Gold Black Bay am mit Bauernmalerei bedeckten Arm. Was wohl die modebewusste Victoria dazu sagt?

Warum reg ich mich eigentlich darüber auf? Kann doch jeder produzieren oder kaufen was er will! Wahrscheinlich nervt mich als Designer und Marketingmann der Umgang mit einem so tollen Produkt. Und das von einer Marke, die ich sehr schätze. Dieses unbedingte Rausquetschen was geht, das Hinbiegen auf wirklich jeden Geschmack, das Verwässern eines eigenständigen Designs.

Eine Submariner ist deshalb zur Ikone geworden, weil sie über Jahrzehnte nur extrem vorsichtig und minimalistisch adaptiert wurde. Von der Daytona gibt es hingegen Hunderte Modellvarianten, die (zu Recht) in Vergessenheit geraten sind und teilweise verramscht wurden.

In der Automobilindustrie gibt es ein ähnliches Phänomen: Einst gab es ein Limousine, dann das sportliche Coupe, das Cabrio und den Kombi für die Handwerker. Jetzt gibts SUV, VAN und Komi-VAN als SUV-Cabrio-Zweisitzer-Hybrid-Allrad…für Männer über 56…

Wie sagte schon Oma: „Wer glaubt alles zu können, kann nichts davon richtig“.

Mit meinen Worten: Wer eine Cash-Cow besitzt, sollte sie nicht zu Tode melken.

(Fotos: Strohm, Tudor)

11 Comments

  1. Kim sagt:

    Bauernmalerei kannst du dir klemmen… Die Berichte sind immer gut. Manchmal fehlt ein hauch Sachlichkeit. Besonders in diesem Bericht, wo sich Personengruppen angegriffen fühlen müssen, die sich eigentlich zu den treuen Lesen zählen, die dir dein Geld in die Tasche wirtschaften…

  2. Norbert sagt:

    Hallo Herr Strohm,
    Also Ihre Ausführungen über das nur die Black Bay mit roter Lünette authentisch sei kann ich nicht nachvollziehen. Zur blauen Variante passen die Indizes genauso gut wie zur roten. Das kann allenfalls Geschmackssache sein und mein Geschmack tendierte schon heftig Richtung 79230B, da kommt mir glatt die schlichte Eleganz 79730 dazwischen und ich beginne zu wanken. Nur beim neuen Chronometer stimme ich Ihnen zu. Das passt einfach nicht.

  3. Axel R. sagt:

    Lieber Herr Strohm,
    Ihren Tudor-Beitrag kann ich, was die BlackBay in „rot“ betrifft, komplett nachvollziehen. Sie ist ebenfalls einer meiner treuen Begleiter im Alltag. Bedingt nachvollziehen kann ich die Ausführungen zur blauen und schwarzen Black Bay. Nicht nachvollziehen kann ich Ihre Ausführungen zur „Bronze“ und vor allen Dingen zur „S&G“, denn diese gibt es auch mit einem Leder-Vintage-Band, das von der Grundfarbe schwarz ist und golden/beige schimmert. Ich meine, das Band ergänzt sich optimal zur Uhr und ich käme bei dieser Uhr-Band-Kombination nie auf die Idee, ein anderes Band zu wählen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie auf diese Lederarmband-Variante zumindest hingewiesen hätten, denn das macht aus der S&G eine ganz andere Uhr, als mit der Stahl/Gold-Armband. Die S&G mit Lederarmband ist m. E. ein Must-Have für alle Black Bay Fans. Viele Grüße, Axel R.

  4. Christian sagt:

    Auch dank Ihres Artikels habe ich mir die Tudor Black Bay in rot mit Manufakturwerk und Nietenarmband gekauft. Nach nun einem Monat tragen bin ich immer mehr begeistert. Das Design ist unaufdringlich aber doch etwas besonderes. Der Tragekomfort ist erstklassig, nicht zu kopflastig aber trotzdem eine schöne Höhe und etwas Gewicht damit man spürt das man eine Uhr am Arm hat. Im Vergleich zu den aktuellen Rolex sechstelligen eigentlich die schönere Uhr. Die Hörner sind schmal mit einer schönen Fase (wie einst bei Rolex) und das neue Werk hat wirklich 70h Gangreserve.
    Danke für den Tip!

  5. Markus Jenni sagt:

    Lieber Herr Strohm,
    Da gehen Sie aber sehr hart mit Tudor ins Gericht. Aber im Grundsatz haben Sie schon Recht, irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass Tudor voll auf den Marketingzug aufgesprungen ist und es nun möglichst allen Uhrenfans Recht machen möchte, darum die unglaubliche Farbenvielfalt. Tatsächlich ist nicht alles gelungen und wirklich auch Geschmackssache.
    Da lob ich mir meinen kürzlichen Neuzugang eine Heritage Chrono, REFERENZ: M70330B-0001, welche als MonteCarlo bekannt ist…ja und eine BigBlock Chrono ist mir bei Ihnen im Shop mal durch die Lappen…
    Herzliche Grüsse aus der Schweiz
    Markus Jenni

  6. BenjaminT sagt:

    Hallo Herr Strohm,

    einen tollen Rant haben Sie da auf die neueren Versionen der BlackBay geschrieben.
    PVD und Bronze konnte ich noch erfolgreich ignorieren. Spätestens beim Chrono musste ich allerdings nur noch den Kopf schütteln. Hier bleibt mir nur noch die Hoffnung, dass das Werk es einmal bis in den Heritage Chrono schafft.
    Einzig mit der BB36 muss ich Ihnen teilweise widersprechen. Sie haben recht, die Uhr hat unter dem BlackBay-Label eigentlich nichts verloren, aber sie ist für mich die schönste Explorer 1, die es je gab und sollte die NorthFlag besser heute als morgen ersetzen.

  7. Christoph Müller sagt:

    Lieber Herr Strohm,
    Erstmal Danke für diesen Post, der mich erst richtig auf die Black Bay aufmerksam gemacht hat. Und ich möchte Ihnen auch offiziell die Schuld daran geben, dass ich nun Eigentümer eines Zeitmessers dieser Serie bin! Wenn man sich nur auf die Bilder im Netz beschränkt, so kann ich Ihre Argumentation nachvollziehen. Also bin ich heute zum Tudor-Händler in meiner Stadt, um die Uhr einmal am Handgelenk zu sehen. Der vollen Überzeugung, dass ich mich für das Original entscheiden würde, ging ich dann doch mit einer anderen nach Hause. Die Rote hat mich anfangs wirklich fasziniert und tut es immer noch. Die Blaue und Schwarze, da bin ich voll d’accord, sind ohne Ausstrahlung. Über Bronze brauchen wir nicht reden, das ist sowieso nicht mein Fall. Mich hat aber die neue Steel begeistert. Sicherlich kann man sagen, dass diese ebenfalls langweilig ist. Ich finde sie jedoch einfach flexibel mit einem gewissen Understatement. Und die Datumsanzeige ist für mich das Tüpfelchen auf dem i. Somit fiel mir die Entscheidung zwar nicht ganz leicht, aber look and feel der Steel passen besser zu mir. Insofern finde ich eine gewisse Auswahl an Varianten toll und ist ja bei vielen Uhrenherstellern heutzutage usus (man denke z.B. nur an die neuen Varianten der Omega Seamaster Planet Ocean). Frei nach dem Motto: „jedem Töpfchen sein Deckelchen“.
    Klar, das Lederarmband bedarf eines Upgrades (wirklich Vintage sieht anders aus) und über das Textilband braucht man erst gar nicht reden.
    Nochmals herzlichen Dank für Ihre Inspiration!

    • Herr Strohm sagt:

      Lieber Herr Müller,
      es wäre nicht der erste Uhrenkauf, für den man mich verantwortlich macht. Und das ist gut so!
      Es freut mich sehr, dass ich Sie zu einer Tudor inspirieren konnte, egal welche. Wie sagte schon Oma: Geschmack ist reine Geschmacksache!
      Und sehr hochwertige Uhren sind es allemal. Also: Alles richtig gemacht. Ich wünsche viel Freude mit der neuen Black Bay!
      Gruß aus Bous
      Herr Strohm

  8. Frank W. sagt:

    Die Variante in 36 mm soll also ein Damenmodell sein – komisch, dass bei Rolex die Oyster Perpetual in 36 mm oder die Datejust in 36 mm als Herrenuhren aufgeführt sind. Von den Varianten in 34 mm ganz zu schweigen. Schlimmer als die vielen Farbvarianten finde ich die fehlende Auswahlmöglichkeit, was Größen betrifft.
    Ich freue mich über die kleinere Variante, da hier auch an Leute wie mich gedacht wurde, die einfach die größeren nicht tragen können.
    Ich würde mir wünschen, dass die Hersteller statt der vielen Designvarianten lieber verschiedene Größen anbieten würden, da es für mich mit 16,5 cm HGU viele Uhren gibt, die mich „umhauen“, die ich aber schlichtweg aufgrund der teilweise absurden Gehäuselänge nicht tragen kann, weil ich dann aussehe, wie ein 12jähriger, der sich Papas Uhr ausgeliehen hat.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Entdecke mehr von Herr Strohms Uhrsachen

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen