Vergleich: Armbanduhren-Zeitschriften – mehr Schein als Sein?

2016-07-21 10.10.08Was du schwarz auf weiß besitzt, musst du nicht immer nach Hause tragen.

Es ist schon einige Jahre her, dass ich mein letztes Abo einer Uhren-Zeitschrift storniert habe. Ab und zu verführt mich das ein oder andere Titelbild am Kiosk doch zum Erwerb eines der wenigen in Deutschland erhältlichen Magazine. Der Lesespaß und die blätternd verbrachte Zeit hält sich dabei in Grenzen.

Trotzdem habe ich mir gedacht: Für die Leser von „Herrn Strohms Uhrsachen“ gehe ich wieder einmal dorthin, wo es den Augen weh tut und kaufe jetzt einfach mal den Kiosk leer. Drei Ausgaben habe ich mir geschnappt (mehr war einfach nicht zu finden) und zwar jeweils die Ausgaben „4/2016 – Juli/August“. Es handelt sich dabei um:

  • CHRONOS
  • UHRENMAGAZIN
  • ARMBANDUHREN

Zwischenzeitlich glänzt fast jedes Wirtschafts- oder Männermagazin mit einem Supplemet oder einem eigenen, unregelmäßig erscheinenden Magazin zum Thema. Diese lasse ich allerdings außen vor.

Zahlen, die nicht lügen, aber sehr verwundern

SeitenzahlWie immer bei meinen Tests ein paar Fakten zu den Probanden zu Beginn:

CHRONOS: Wird herausgegeben von dem Ulmer „Ebner Verlag“, erscheint alle zwei Monate. Jahresabo inkl. „Sportuhren-Katalog“: 72,50 €
Auflage laut Mediadaten: 9.991 Stück
Anzeigenseite innen: 5.800,-

UHRENMAGAZIN: Ebenfalls aus dem „Ebner Verlag“ erscheint 9x (inkl. 3 Sonderhefte) im Jahr.
Jahresabo 73,30€ (inkl. „Klassik-Uhren“ für 105,-€)
Auflage laut Mediadaten: 7.538 Stück
Anzeigenseite innen: 7.010,-

ARMBANDUHREN: Herausgegeben vom Heel Verlag in Königswinter, wie alle anderen auch im Zweimonats-Abstand. Das Jahresabo inkl. dem „Armbanduhren-Katalog“ kostet nur 59,50 €
Auflage laut Mediadaten: 9.260 Stück
Anzeigenseite innen: 5.400,-

Im Abo teurer als einzeln? Nanu…

PreiseDie Preise der drei Magazine sind fast gleich, alleine das was ich dafür bekomme hat doch sehr unterschiedliche Dimensionen, wie die Grafiken zeigen. Noch ein Punkt, der mich erstaunte: Ist es bei den meisten, auch im Abo erhältlichen Zeitschriften üblich, dass ein Jahresabonnement zwischen 7 und 15% günstiger ist als die Einzelausgaben (inkl. Versand!), so spart mir der regelmäßige Gang zum Kiosk bei der CHRONOS immerhin fast 6,-€ im Jahr. Umgekehrt und um fast die selbe Summe ist das Abo von ARMBANUHREN billiger als alle Einzelausgaben zusammen.

Generell fällt CHRONOS bei der getesteten Ausgabe dadurch auf, dass das Magazin den höchsten Anteil an Werbung aber gleichzeitig den geringsten Anteil an reinem Textbeitrag publiziert.

Nein, das gleicht sich nicht aus…

AuflageDas zweite Ebner-Printprodukt, das UHRENMAGAZIN, „glänzt“ mit der geringsten Auflage, aber den höchsten Anzeigenpreisen. Und wahrscheinlich mit einem sehr cleveren Anzeigenverkäufer – wie sonst wäre dies gegenüber den Anzeigenkunden zu rechtfertigen?

Ich mache nur seit 30 Jahren „in Marketing“ und habe Tausende von Anzeigenseiten in Hunderten von Magazinen für Kunden gebucht. Eine solche Diskrepanz bei vergleichbaren Produkten ist mir seltenst aufgefallen.

Urteil: Einheitsbrei!

Jetzt mal weg von den reinen Zahlen, obwohl sie entlarvender waren als ich angenommen habe zum inhaltlich / optischen Vergleich. Ich nehme mal das generelle Urteil vorweg: Einheitsbrei.

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Liegen die drei Hefte aufgeschlagen nebeneinander, so kann ich das eine kaum vom anderen unterscheiden. USP (Unique Selling Proposition)? Fehlanzeige! Verwechsel- und damit austauschbar. Und da wird’s auch leider in so einem Test langweilig. Die nun folgenden Punkte gelten daher so oder so ähnlich für alle drei Kandidaten.

WerbungWerbeanteil: Überdurchschnittlich hoch mit rund 18%. Sogar ein „Reklameblatt“ wie das Männermagazin „GQ“ hat extrem hohe 20% und damit nur unwesentlich mehr. Dazu kommt dann noch die für den Leser kaum erkennbare „Promotion“ in Form von verkauften Doppelseiten oder klassischen „Productplacement“ – in diesem Fall von Sportschuhen.

Viele andere Druckerzeugnisse der Verlage werden komplett verkauft, von den Fotos auf der Titelseite bis hin zum Schreiben von „redaktionellen“ Texten.

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Fast ausschließlich Herstellerfotos!

Fotos: Ich habe es nicht nachgezählt, weil zu ermüdend, aber gefühlt mindestens 9 von zehn abgedruckten Fotos müssten den Quellennachweis „Hersteller“ tragen (tun es aber leider nicht). Selbstgeschossenes findet man nur im Testbereich, und oft wären genau diese Bilder in jedem Optik-Test durchgefallen. Hier knipst teilweise der Schreiber noch selbst…

2016-07-21 10.23.54Was dem Leser bei Uhrenmagazinen normal erscheint, würde bei andere, „Special Interest“- Publikationen zu Lynchjustiz führen. Autozeitschriften ausschließlich gefüllt mit den Werbefotos der Hersteller? Es geht halt auch anders.

Eine große Anzahl an automobilen Oldtimermagazinen sind komplett angereichert mit redaktionseigenen und sehr guten Fotos – warum also nicht auch bei einem knapp 8,- Euro teuren Uhrenmagazin? Und erzähl mir keiner, es gäbe weniger Uhren- als Oldtimersammler. Und wo wir schon gerade dabei sind: Warum gibt es eigentlich auf dem gesamten deutschen Markt kein Horologen-Magazin mit dem Schwerpunkt Vintage? Zu viel Arbeit für die Redakteure? Zu wenig PR-Texte der Hersteller?

TextanteilTextanteil: Teilweise unter 20% Textanteil im redaktionellen Bereich? Schaut man sich das (Einheits-)Layout an, so würde mein ehemaliger Gestaltungs-Professor sagen: „Da versucht wohl jemand Seiten zu schinden.“

Doppelseitige Bilder des Fotografen „Lari Fari“, kleines Herstellerfoto und Mini-Texte – und schon haben wir ein paar Seiten belanglos gefüllt.

Gesamturteil:

Den direkten Vergleich lasse ich mal weg, weil die Unterschiede zu gering sind. Daher nur Generelles:

Alle Magazine kommen daher wie eine Sammelmappe an PR-Publikationen der Uhren-Hersteller. Fotos und Textvorlagen flattern doch stündlich auf die Tische der wenigen Redakteure (ich werde auch damit bedacht, weiß also, wovon ich rede). Viel Technik, viel Werbesprech – und ganz wenig eigene Meinung. Wo bleibt die Wertung, die Emotion und auch mal die Kritik? Die beschränkt sich selbst bei den Uhrentests auf Minus-Punkte wie: „Recht hoher Preis“ oder „Fehlender Sekundenstopp“. Na dieses zu erkennen, dafür wären wir Leser wohl zu doof gewesen.

Kritiklos weil sonst werbelos?

Drei Magazine aus zwei Verlagen – da red’ ich jetzt mal von Quasi-Monopol. Eine sehr ungesunde und gegenseitige Abhängigkeit, was unabhängige Inhalte und auf der Gegenseite Werbemöglichkeit der Branche anbelangt.

2016-07-21 10.17.25Die Gesamtauflage der drei Magazine zusammen alle 2 Monate beträgt nicht mal 27.000,- verkaufte Exemplare. Das ist gerade mal ein Drittel der Monatsauflage der „Motor Klassik“ (für 4,50€ !). Alleine beim Uhrforum.de sind knapp 45.000,- Leser angemeldet. Da wird anscheinend wenig richtig gemacht, wenn keine Zeitschrift über die Zehntausender-Grenze springen kann.

Ich frage mich, wie lange das Erfinden, Jurieren und Verteilen von Preisen und Auszeichnungen (wie z.B. die „Goldene Unruh“ von UHRENMAGAZIN und FOCUS) die Hersteller über fehlende Leserschaft hinweg tröstet. Wann die mehr schlechten als rechten Online-Angebote der Verlage den Printausgaben den endgültigen Todesstoß geben.

Angepasst und weich gespült mag vielleicht den Manufakturen schmecken, so lange der CEO regelmäßig zum Interview gebeten wird. Den Leser wird ein ungutes Gefühl der Langeweile, Wiederholung und Knauserigkeit beim jährlichen Bezahlen des Abos beschleichen.

Abschließend noch ein Highlight aus dem Bereich der abgedruckten Interviews. Wieder einmal mit dem Schlachtross und der personifizierten Werbekampagne Jean-Claude Biver.

Frage: „Was konkret müssen sie (zur Wiederbelebung der Marke Zenith) tun?“

Antwort JCB: „Ich antworte mit einem Bild: Wir müssen das El Primero in die eine Hand nehmen und die Zukunft in die andere Hand. Und dann muss man Elektrizität zwischen die beiden bringen. Es muss blitzen und funken. Der Strom muss vom gestern zum Morgen laufen.“

Na, konkreter kann man wirklich nicht antworten. Danke für’s Gespräch.

 

 

 

 

 

 

 

2 Comments

  1. Peter D sagt:

    Hallo,

    ich möchte zu diesem Thema kurz gefasst meinen Mustard dazu geben.

    1. Die Existenz eines Printmediums hängt ab: von den Inserenten , den Abonnenten und den Spontankäufern.

    2. Die Auflage entspricht nicht gleich den verkauften Exemplaren. Die Auflage ist oft viel höher, da dem Inserenten eine große Nachfrage suggeriert werden soll.

    3. Der Preis der Werbeanzeige hängt primär von der Zahl der Abonnenten und sekundär von der Auflage ab. Ein großer Teil der Abos wird durch Prämiengeschenke generiert.

    4. “ Man beißt nicht die Hand , die einen füttert „. Schlechte Kritiken der Redaktion bedeutet meist den Verlust des Kunden und seiner Werbeanzeigen ( meist als Dauerauftrag ).

    5. Je größer die Werbeanzeige , desto größer der Einfluss auf das Wort. Bis zu 100% ist möglich.

    Wünsche viel Spaß beim Lesen.

  2. Dirk Dobinsky sagt:

    Danke, ganz genau meine Gedanken als ich am Samstag eines dieser verwechselbaren Magazine in den Händen hielt!
    Irgendwie hatte ich die Hoffnung noch nicht verloren, eine interessante Wochenendlektüre mit inspirierenden Bildern zu finden, sah mich jedoch getäuscht und mir die Ausgabe dieser nicht unerheblichen Summe gespart….direkt neben dem Zeitschriftenkiosk befindet sich ein gut sortierter Buchladen, in dem es für eine vergleichbare Summe lesenswerte Taschenbücher gibt….

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