Waschtag – Kronen lieben Oral B

Sie haben eine Uhr gebraucht gekauft. Das heißt: der Vorbesitzer hat sie gebraucht, sprich getragen. Dies erkennt man an mehr oder weniger groben Kampfspuren wie Kratzer oder tiefere Macken. Da Liebe blind macht, spricht der Sammler hier gerne von „Patina“. Nicht blind sollten Sie dem gegenüber sein, was sich an der Unter / Rückseite der Uhr verbirgt. Manchmal hat es den Eindruck, als hänge noch der halbe Unterarm des Vorbesitzers in den Rillen und Zwischenräumen von Uhr und Stahlband.

Da Sie wahrscheinlich keine DNA, sondern schöne Uhren sammeln möchten, ist vor dem ersten (eigenen) Tragen eine gründliche, äußere Reinigung von Gehäuse und Stahlband notwendig. Haben Sie eine Uhr mit Lederband erworben, bleiben Ihnen genau zwei Möglichkeiten: Tragen oder entsorgen. Das Reinigen von Lederarmbändern ist nicht wirklich empfehlenswert und auch selten von Erfolg gekrönt. Viele Lederarmbänder nehmen selbst leichten Kontakt mit Wasser übel. Die Messlatte des Er-Tragbaren ist also Ihre eigene Ekelgrenze. Zur Beruhigung sei gesagt, dass Sie Originalbänder fast aller Uhrenmodelle und -Hersteller bei Selbigem direkt, oder im gut sortieren Handel erwerben können.

Die erste Frage bei der Säuberung eines Gehäuses ist das „womit“. Mit einem weichen Poliertuch oder doch dem Hochdruckreiniger (das geht, kein Scherz). Also lesen wir die Bedienungsanleitung (auch hier wieder: nix wegwerfen) und finden heraus, ob und in welchem Maße die Uhr wasserdicht ist. Achten Sie bitte darauf, dass beim Reinigen die Krone nicht gezogen ist (bei entsprechenden Exemplaren sollte sie verschraubt sein) und die Chrono-grafenfunktionen (Drücker) nicht im Wasser betätigt werden. Die Folge wäre ein übler Wassereinbruch auf der Steuerbordseite.

 Sie haben sich also davon überzeugt, dass Ihre Uhr (und natürlich auch das Stahlband) für einen Vollwaschgang geeignet ist? Dann kann es ja losgehen mit dem Schrubben. Gute Erfahrungen habe ich mit einer elektrischen Zahnbürste und einfacher Seife (keine Zahncreme, zu viele Polierstoffe) gemacht. Noch besser, wenn Sie für Zahn- und Uhrenpflege verschiedene Bürstenköpfe benutzen. Aber das ist Geschmackssache.

Einseifen, bürsten, abspülen, trocknen – fertig. Ihre Uhr ist Ihnen zu wertvoll für so ein profanes Prozedere? Dann möchte ich aus der persönlichen „Waschanleitung“ zitieren, die Hans Wilsdorf, der Gründer der Marke Rolex, 1955 an Konrad Adenauer gesandt hat, um dem Bundeskanzler die Reinigung seiner goldenen Datejust zu erläutern:

„Hie und da sollte man die Uhr mit Armband ruhig mit Seife und Bürste waschen, denn sie wird dadurch immer frisch erhalten und leidet ganz und gar nicht durch die Feuchtigkeit.“

Einen kleinen Tipp für ein unfallfreies Handling möchte ich Ihnen noch auf den Weg geben: Legen Sie das Waschbecken während der Reinigung mit einem Handtuch aus. Denn Seife macht die Hände glitschig und der Aufprall der Uhr auf dem Waschbecken macht den Besitzer sehr traurig. Ich weiß, wovon ich rede. Mit dem Stahlarmband verfahren Sie in der gleichen Weise, wobei eine Wasserdichtigkeitsprüfung entfällt (kleiner Scherz). Für das Band bietet sich auch eine andere, maschinelle Reinigungsmethode an: die des Ultraschallbades.

Ab ca. 30 Euro erhalten Sie einen einfachen Ultraschallreiniger, für die doppelte Summe auch schon was richtig Gutes. Mit dessen Hilfe lassen sich vor allem Kleinteile (Endlinks, Tubes, Federstege) porentief reinigen. Ich benutze das Gerät nach dem Vorreinigen mit Bürste und Seife als Hauptwaschgang. Aber bitte nicht das Gehäuse nebst Werk hineinlegen. Sind Gehäuse und Armband nun vom groben Schmutz befreit, eignet sich besonders ein Mikrofaser-tuch für die Endpolitur. Für zwischendurch und Zwischenräume habe ich immer ein paar Watte-stäbchen und Zahnstocher griffbereit. Die Holzstäbchen aber bitte nur bei grobem Dreck in den Ritzen anwenden.

Auch wenn Sie sicher sind, dass Ihre Uhr es (noch) nicht nötig hat – der Vorher-Nacher-Effekt eines glänzenden Gehäuses wird Sie vom Gegenteil überzeugen.

Mehr nützliche Pflegetips finden Sie in meinem Buch „Armbanduhren-sammeln“

1 Comment

  1. Nadine sagt:

    Dem Tipp mit dem Ultraschallreiniger kann ich nur in vollen Zügen zustimmen – ich habe selber erst kürzlich in so ein Gerät investiert und die Reinigung unserer Uhren fällt mir seitdem deutlich leichter als vorher und das Ergebnis ist obendrein viel sauberer.

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